Italiens Linke erobert die großen Städte

■ Rechte gewinnen in der Provinz

Rom (taz) – Bestätigung der Tendenzen des ersten Durchgangs vor vierzehn Tagen, Konsolidierung der um die KP-Nachfolgeorganisation „Demokratische Partei der Linken“ (PDS) gruppierten „fortschrittlichen Kräfte“, Bestätigung eines neuerwachten starken Hanges zu Extremismen: So lautet die Quintessenz der Stichwahlen für die Bürgermeisterämter in 129 Städten und Gemeinden Italiens sowie für die Präsidien in drei Provinzen. Die Wahl am Sonntag war für etwa ein Fünftel der gesamten Wahlbevölkerung repräsentativ. Wo beim ersten Wahlgang im November kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hatte, mußte die Entscheidung zwischen den beiden Bestplazierten getroffen werden. Überall waren das auf der einen Seite die Matadoren der PDS und ihrer Alliierten (mal die Grünen und die Republikaner, mal die Linksabweichler der alten KP unter dem Namen Rifondazione comunista, mal Dissidenten aus der zerfallenden Democrazia cristiana und der Sozialisten und meist auch die Antimafiabewegung „la Rete“). Auf der anderen Seite standen im Norden die Kandidaten der sezessionistischen „Ligen“, in Mittel- und Süditalien die des neofaschistischen Blocks „Movimento sociale italiano/Destra nazionale“ (MSI/DN).

Durchgesetzt haben sich in den zur Wahl gerufenen Großstädten Rom, Neapel, Genua, Venedig und Triest durchweg die von der PDS unterstützten Kandidaten. Sie kamen mitunter jedoch nur knapp über die verlangte 50-Prozent-Marke. So erreichten etwa in Rom Francesco Rutelli und in Triest Riccardi Illy 53 Prozent. Deutlicher fielen die Erfolge in Genua (60 Prozent für Adriano Sansa) und Venedig (55 Prozent für Massimo Cacciari) aus. In Neapel erzielte Antonio Bassolino gegen die Mussolini-Enkelin Alessandra 56 Prozent. In kleineren Städten und auf dem Land triumphierte jedoch häufig die Gegenseite. Im Norden gewannen die „Ligen“ nahezu alle Städte, in Mittel- und Süditalien fielen Provinzmetropolen wie Latina, Rieti, Caltanissetta und Benevento an die Neofaschisten.

Eine gewisse Erleichterung herrscht über den Ausgang vor allem in Industrie- und Finanzkreisen. Die Lira hatte nach dem ersten Durchgang vor allem aufgrund des Rechtsrutsches einen mächtigen Einbruch erlebt. Nun hoffen alle, daß er beendet ist. Zwar liegen den meisten Managern und Unternehmern die „Fortschrittlichen“ ganz und gar nicht, doch der Blick auf das Ausland zeigte schnell, daß dort auch einer vom PDS geführten Regierung weniger Ängste entgegengebracht würden als den Neofaschisten oder „Ligen“. Der erstmals erfolgte teilweise Stopp der bisher scheinbar unaufhaltsam voranstürmenden „Ligen“ ebenso wie die am Ende doch noch erfolgreiche „Abwehr“ des MSI ist denn auch, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, der Hauptakzent aller italienischen Kommentatoren.

Einhellig ist allerdings die Interpretation bei allen Parteien in einem Punkt: Das derzeitige Parlament, in dem die mittlerweile total aufgelöste christdemokratische und die ebenso zerfallene sozialistische Partei die Regierung tragen, hat keine Legitimation mehr. Ministerpräsidenrt Ciampi, selbst parteilos und an der Spitze eines Technokratenkabinetts, hat angekündigt, er werde nur noch den Haushalt 1994 verabschieden lassen und dann dem Staatspräsidenten Neuwahlen für März oder April vorschlagen. Werner Raith