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SanssouciNachschlag

■ „Barschel – Mord in Genf“ im Eiszeit-Kino

Über Badewannen macht man keine Witze. Seit ein gewisser Uwe Barschel sein sinnlos gewordenes Politikerdasein in einer Wanne ertränkte, darf man Politikern kein ausgiebiges Bad mehr wünschen. Die Magie der Wanne reicht so weit, daß Björn Engholm gegen ein Titanic-Titelbild gerichtlich vorging, das ihn im April '93 in Barschel-Pose in einer Badewanne zeigt. Genug Witzpotential für einen Spielfilm also, möchte man meinen. Nicht für die Regisseure Uwe Boll und Frank Lustig. Die machen aus einem deutschen Politikerdrama mit tragikomischem Unterton ein Pseudo-Investigation-Trauerspiel. Man faßt es nicht, wie hier tatsächlich versucht wird, die Barschel-Story zum Verschwörungskrimi aufzublähen, und wie kläglich dieses Unternehmen, das sowieso nur scheitern kann, vor die Hunde geht.

Lustig und Boll reihen Fakten über Barschel aneinander, als hätten sie alte Spiegel-Hefte, ohne etwas zu ändern, einfach abgefilmt. Gestalten wie Rainer Pfeiffer plaudern als „Zeugen“ vor dem ewig gleichen Hintergrund über Barschel und seine Karriere. Dann wird der Zuschauer mit diversen Varianten der Ankunft Barschels in Genf, seiner Fahrt zum Hotel Beau Rivage, der Bestellung einer Flasche Rotwein, deren Verschwinden und dem letzten Bad Barschels malträtiert. Vorher heißt es Tabletten schlucken, auf den ominösen dritten resp. zweiten Mann warten (war es doch Agent Werner Mauss?) und in Zeitlupe mit dem Kopf auf dem Boden aufschlagen. Entschuldigung unserer Low- Budget-Filmemacher: „Aus Geldmangel mußte die Fahrt zu den Außenaufnahmen in Genf ohne Pause und Übernachtung durchgezogen werden.“ Der Schnitt erfolgte in „Nachtschichten“, die Drehtage hatten „10 bis 17 Stunden“, „ohne Pausen“ versteht sich. So verschwenden sich deutsche Jungfilmer an ihr Publikum und an die Filmförderungsanstalt.

Nicht genug aber, daß mit diesen Weinerlichkeiten um Mitleid für das Produkt geworben wird, auch im Film selbst geht es nicht nur um Barschel, sondern um das grausige Schicksal eines ambitionierten Filmemachers, der einen Financier für sein Projekt sucht. Dieser Herr Parzer versucht – und das ist fast trauriger als der Tod in der Badewanne –, seinem alten Filmkumpel Wittmeyer das Geld für einen Barschel-Film aus der Tasche zu ziehen. Auch diese Rahmenhandlung ist nicht lustig gemeint, sondern als ernsthafte Darstellung der Finanzierungsnöte von Regisseuren. Kein Wunder, daß Lustig und Boll sich als Zensuropfer gerierten, als „Barschel – Mord in Genf“ bei der letzten Berlinale nicht ins Programm kam. Man sitzt im Kino, möchte „Scheiße“ brüllen, sich die Augen reiben und irgend etwas anderes sehen, egal was. Andreas Becker

Eiszeit-Kino, bis 12.1., 19 Uhr, Zeughofstraße 20, Kreuzberg.

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