: Kein Stich für die „Junge Freiheit“
■ DemonstrantInnen verhinderten Presseshow
Potsdam/Berlin (taz) – Sie baten auf schwerem braunen Papier zum Empfang. Der Ort war mit Bedacht gewählt: Potsdam, Schloßhotel Cecilienhof. Auf den Tag 52 Jahre nach der sogenannten „Wannseekonferenz“, auf der Nationalsozialisten den Holocaust in die Tat umsetzten, sollte die „konservative Revolution“ der Bundesrepublik ausgerufen werden. Mit viel Pomp wollte das Leib- und Magenblatt der Rechtsintelektuellen, die Junge Freiheit, ihr wöchentliches Erscheinen kundtun. Jedoch: Fehlanzeige. Gegen Mittag ließen sich zwei Redaktions- Herren im feinen Drillich nebst forscher Dame erschöpft im Foyer des Berliner Grand-Hotel in die Sessel sinken. So ermüdet hatte sie die Vertreibung, daß Chefredakteur Dieter Stein, 26, nur hauchen konnte: „Mir ist das alles peinlich.“
Die selbsternannten Retter der deutschen Identität hatten nirgendwo landen können. Hinauskomplimentiert wurden sie aus dem Schloßhotel, vor dem Ausweichquartier standen 150 GegendemonstrantInnen. Sie lehrten den „Shooting-Star der rechten Szene“ (Stern) mit Flugblättern und drei Tansparenten das Fürchten. „Gegen Nazis, überall“ – eine Schulklasse, die kollektiv und gegen den Willen ihres Schuldirektors aus dem Unterricht getürmt war, verteilte Flugblätter. „Wenn wir nicht auf die Straße gehen, wer sollte es sonst machen? Die Erwachsenen kriegen das doch nicht auf die Reihe“, sagt die 16jährige Nadine. Brave Bürgerstochter, Hausbesetzer und Rentnerin sind sich einig, daß der Rechtsruck quer durch die Republik geht. In Potsdam konnte sich die Neue Rechte gestern nicht profilieren. Flugs flohen sie nach Berlin ins noble Grand Hotel. Um sich direkt die nächste Abfuhr zu holen. Gegen eine unangemeldete Pressekonferenz im Foyer hatte Direktor Thomas Wachs heftige Einwände. Und dann waren auch sie wieder da, die DemonstrantInnen aus Potsdam. Und die wollte der Direktor auch nicht in seinem Hotel haben. Die Polizei zeigte sich unbesonnen und löste mit Schlagstock auf. Aber da war die Junge Freiheit bereits getürmt. Annette Rogalla
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