piwik no script img

„Wer vögelt, lebt. It's Eiffe-Time“

■ Eiffe - Der Film - über einen Aktionisten der K. i. ö. R.: Zeitzeugen gesucht     Von Julia Kossmann

Die Ära Eiffe blühte im Hamburger Mai 1968. Mit Sprüchen auf Wänden, Verkehrsschildern und Plakaten eroberte sich Eiffe mittels eines damals neuartigen Filzschreibers (“Flo-Master“) den öffentlichen Raum - inzwischen hat die Kulturbehörde ein eigenes Ressort namens K.i.ö.R. (Kunst im öffentlichen Raum) dafür. Das gab's damals nicht, Eiffe war sowieso nirgendwo einzuordnen. Auch nicht in den politischen Rahmen der - nach dem Anschlag auf Rudi Dutschke und in den Debatten um die Notstandsgesetze - sich im Frühjahr 1968 formierenden außerparlamentarischen Opposition. Wenig später war Eiffe von der Bildfläche fast verschwunden.

Der Regisseur Christian Bau von der Thede-Filmproduktion, der Eiffes Aktionen damals als Film-Student an der HfbK miterlebte, begann im Sommer 1993 zu forschen. Mit einem Kurzfilm wollte er an Eiffe erinnern: Mit einer Postkartenaktion und Vorfilmen in einigen Hamburger Kinos suchte Bau nach Zeitzeugen, die Eiffe kannten oder seine Aktionen erinnern. Inzwischen aber hat Bau so viel Material gesammelt, daß er ein genaueres Bild von Eiffes Leben hat. Der Kurzfilm war geplatzt und ein neues Projekt geboren.

Peter-Ernst Eiffe wurde 1941 geboren, er wuchs wohlbehütet in Duvenstedt bei Adoptiveltern auf, machte Abitur und war Leutnant der Reserve bei der Bundeswehr. Sein Adoptivvater, der in der Nazi-Zeit Senator für Hamburger Angelegenheiten in Berlin gewesen war, starb 1967. Christian Bau glaubt, daß dieses Erlebnis für Eiffes Entwicklung von großer Bedeutung war. Das Studium der Wirtschaftswissenschaften begann Eiffe in München und setzte es in Hamburg fort. Er war kurze Zeit verheiratet und hatte eine Tochter, die Christian Bau inzwischen kennengelernt hat. Aber für die Ehe war Eiffe wohl nicht geschaffen, sie ging bald in die Brüche.

1968 begann er damit, die Passanten auf den Straßen mit Sprüchen wie „Eiffe der Bär ist lieb, stark und potent, Telefon 207710“ - seine tatsächliche Telefonnummer - zu irritieren. Er chaotisierte Vollversammlungen im Audimax, indem er - mit Pepitahütchen und strenger Brille alles andere als ein Revolutionär - zum Mikrophon griff, und forderte, ihn zum Bürgermeister zu wählen. Später propagierte er gar „Eiffe for president“. Als er am 26. Mai 1968 mit seinem kleinen, über und über beschrifteten Fiat Topolino - genannt: die „freie Republik Eiffe“ - in der Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs vorfuhr, um seine Nachrichten zu hinterlassen, wurde er festgenommen, dem Haftrichter vorgeführt und nach Ochsenzoll gebracht. Nun gab er den zuvor so interessierten Zeitungen keine Rätsel mehr auf. Und kurze Zeit später bekam Peter-Ernst Eiffe von Psychiatern eine Schublade zugeteilt: „manisch-depressiv“.

Er wurde noch manches Mal aus der Psychiatrie entlassen, versuchte eine Karriere als Werbetexter. Er kam wieder nach Ochsenzoll, verlobte sich etwa 1972/73 noch einmal mit einer Mitpatientin, mit der er außerhalb der Klinik zusammenwohnte. Schließlich wurde Eiffe in einer psychiatrischen Klinik in Rickling/Schleswig-Holstein hospitalisiert. Auch hier hörte er nicht auf zu schreiben und überzog das Haus und das Dorf mit Sprüchen. Weihnachten 1983 verdrückte er sich. Drei Monate später fand man ihn auf einem Feld, erfroren.

Für Christian Bau, der Eiffe flüchtig persönlich kennengelernt hatte, war Eiffe ein Held gewesen. 1968 hatte er es versäumt, Eiffe im Krankenhaus zu besuchen - das will er nun mit dem Film ein wenig gutmachen. Bau plant kein dokumentarisches Rührstück über eine Psychiatrie-Karriere, sondern einen „lettristischen Raum“, ein würdiges, filmisches Denkmal, zusammengesetzt aus Interviews mit Zeitzeugen, historischen Amateurfilmen und kalligraphischen Trickaufnahmen - „Twist and write“ als Tribut an die 60er. Die Alsterdorfer Combo Station 17 wird Eiffe-Texte vertonen und auch sichtbar im Film mitspielen, ebenso wie der Outdoor-Jazzer Abi Wallenstein.

Da Christian Bau noch einige Lücken in der Chronologie der Ereignisse schließen möchte, lesen Sie hier diese völlig taz-untypische Suchmeldung: Wer kennt die Hamburger Miß Universitas 1968, deren Schulter Eiffe signierte (siehe Foto)? Wer kennt Eiffes Verlobte aus den 70er Jahren? Wer hat Eiffe als Arzt oder Pfleger betreut? Wer sich angesprochen fühlt, melde sich umgehend bei der Thede-Filmproduktion, Thedestr. 85, 22767 Hamburg, Tel.: 38 37 57, Fax: 38 58 57.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen