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■ StandbildDobberkow ist überall

„Polizeiruf 110“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Gerade wir Westberliner wissen, was uns die Vereinigung gekostet hat. Den dualen Bildschirm, zum Beispiel. Da gab es vor dem Mauerfall den „Tatort“- West – und den Tatort-Ost. Der hieß zwar „Polizeiruf 110“, lief dafür aber auf einem sauber zu empfangenden Kanal, der frequenztechnisch alle Westsender überlagerte und in der Springer- Presse „DDR-Fernsehen“ hieß. Wenn der ferne Westen wegen schlecht Wetter mal wieder empfangsgestört war, flippte man also rein in die bananenfreie Republik und gefiel sich in der Rolle des ethnologischen Zaungastes. Jenseits der Mauer bediente man sich dafür mit „Derrick“ oder dem „Alten“ – der Fernsehkrimi als Mauerschau.

Seit vorgestern ist nun auch dieses Joint-venture Geschichte. Der ARD-Bildschirm hat sich zwangsvereinigt: Um die absackenden Ost-Quoten zu verbessern, hat der NDR den Polizeiruf fürs Erste eingekauft; nun schaut zusammen, was zusammengehört. Und wundert sich gemeinsam über den westgewendeten Ex-DDR-Krimi.

Weil der Tatort im Osten liegt, ist er natürlich nicht so edel wie Derricks Schickeria-Revier. Die Spuren des Verbrechens liegen beim „Poizeiruf 110“ vielmehr mitten im Mecklenburger Matsch: Viehdiebe streichen durch die Umgebung von Dobberkow und verhindern den landwirtschaftlichen Aufschwung Ost. Drei Diebstähle in zwei Tagen, das hält der Amtsleiter von Schwerin schon für eine „neue Dimension“ des Verbrechens. Lange tapsen die beiden Ermittler ahnungslos durch das zuweilen lustige Landleben, wo die Knechte lieber Skat spielen statt zuzupacken und betrogene Ehefrauen ihren Männern zuweilen eine Horde Kühe auf den nackten Leib hetzen. Zum Kummer der Ermittler werden Viehdiebe in so einer Gegend noch von mannhaften Bauernwehren gehängt.

Mit einer allzugroßen Portion Selbstironie erzählen Gert Möbius und Manfred Stelzer ihre Ost-Geschichte, die ohne Mord, ohne Totschlag, ohne Stasi-Blues und Treuhandhäme auskommen will. Seht her, will uns dieser „Polizeiruf“ sagen, wir Ostler sind zwar noch nicht ganz auf ARD- Format, aber wir können immerhin drüber lachen.

Traurig über soviel unnötiges Understatement schalten wir später rüber zum ORB. Der hat zwar einen West-Intendanten, aber wenigstens ein aufrechtes Ost-Image. Klaudia Brunst

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