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Goldkäfige und Workstations

■ Streit um das öffentliche-rechtliche Hörspiel: Wer wird in Zukunft wo und wie produzieren?

Wir hören: die keuchende Stimme einer offenbar fliehenden Frau, im Arm das schreiende Baby, dann Pferdegetrappel, das bedrohlich näherkommt, schließlich Schüsse, dröhnende Männerstimmen; die Frau verstummt. Den Bildern Goyas von den Schrecken des Krieges verlieh Heinz von Cramer Töne. „Landschaft im Krieg“ wird im März ausgestrahlt werden – eine von 60 Hörspiel-Neuproduktionen des WDR im ersten Halbjahr 1994. Insgesamt werden 250 Stücke und Serienfolgen gesendet; kein „Radioday“ ohne Spielproduktion.

Auch keine Rede von drohenden Sparmaßnahmen oder Programmkürzungen. WDR- Hörspiel-Leiter Wolfgang Schiffer zeigt sich „sehr froh“ über die Wiederholungstermine im 1991 neu geschaffenen fünften Kanal. Schiffer: „Es geht nicht mehr mit einmaliger Ausstrahlung.“ Freude auch über erste Schritte aus der Kulturnische: „Der kommerzielle Markt beginnt sich für uns vehement zu interessieren“ – wachsende Nachfrage nach Kaufkassetten. Alles in Butter beim Hörspiel?

Nun plagt die größte ARD-Anstalt noch ein gutes Stück weniger Sorgen als etwa die Hessen oder die Berliner. Ausgerechnet Manfred Mixner, Hörspielchef beim maroden SFB, kritisierte bei den Berliner Hörspieltagen die öffentlich-rechtlichen Produktionsbedingungen: zu teuer, zu bürokratisch, technisch veraltet. Private Workstations würden mit weniger Personal effizienter arbeiten. Mixner prognostizierte laut Funk-Korrespondenz, daß der „goldene Käfig“ der Hörspielredaktionen zerbrechen und die Zahl der produzierenden Redaktionen sinken werde. Bravo, möchte man rufen, da schwimmt einer gegen den Strom. Wenn es nicht so fatal nach Selbstaufgabe klingen würde.

Der SFB jedenfalls wäre wohl der erste Anwärter für die Bestätigung von Mixners Vorhersage. Einen Anteil von 0,3 Prozent verantwortete Mixners Abteilung noch im SFB-Programm von 1992, weniger als jede andere ARD-Anstalt (abgesehen vom MDR). Der WDR, der die meiste Sendezeit für Hörspiele bereitstellt, kommt auf 0,9 Prozent, was bei insgesamt über zwei (SFB) bzw. zweieinhalb Millionen (WDR) Sendeminuten keineswegs ein unbedeutender Unterschied ist. Die weitaus meiste Zeit geht mit Musik und mit politischen Wortbeiträgen drauf.

Im Wissen um die schwache Position des SFB reagierten die Kollegen auf Mixners Kritik genervt. „Solches Eigentor kann nur schießen, wer sich längst schon klammheimlich von der Auffassung verabschiedet hat, das Hörspiel sei auch im Kulturradio der Zukunft als Gegenentwurf zum gängigen Formatradio unverzichtbarer Programmbestandteil“, schrieb Christoph Lindenmeyer, Hörspielchef des BR, in einem Leserbrief an die Funk-Korrepondenz säuerlich. Wie Lindenmeyer wies auch WDR-Mann Schiffer darauf hin, daß Hörspiele längst nicht mehr nur in den eigenen Studios produziert würden. Im Bereich experimenteller Klänge seien die Auftragsproduktionen sogar in der Mehrheit. Auf die eigene Kompetenz dürfe jedoch nicht verzichtet werden, so Schiffer.

Aber „etwas Wahres dran“ ist schon am „Eigentor“ des Berliners Mixner, meint Peter Liermann, Dramaturg beim nicht minder gebeutelten HR. Die in privaten Studios produzierten Hörspiele habe es früher seltener gegeben; die digitale Tontechnik macht's möglich. Freilich müßten solche Hörspiele nicht zwangsläufig billiger für die Sender sein. Auch die Diskussion über weitere Gemeinschaftsprogramme wird kommen, ist man sich in den Hörspielredaktionen sicher. „Man erahnt das an jeder Ecke“, sagt Peter Liermann. Schon heute bestreiten der Süddeutsche Rundfunk und der SWF zwei gemeinsame Hörfunk-Wellen und kooperieren etwa der HR und der Saarländische Rundfunk. Damit sanken zwar nicht die Hörspieltermine, aber beim HR wurde eine Stelle in der Hörspielredaktion nicht wieder besetzt und der Etat gekürzt.

Doch selbst beim vergleichsweise „reichen“ WDR gehen nicht alle Wünsche in Erfüllung – etwa der, auf allen fünf Kanälen mit Hörspielen vertreten zu sein (es sind vier). Und eine gewisse Verunsicherung hat auch der Wechsel an der Hörfunkspitze ausgelöst. Der neue Hörfunkdirektor Fritz Pleitgen hat sich vorbehalten, über alle fünf Kanäle neu nachzudenken. „Da kann sich allerlei ändern“, meint WDR-Dramaturg Johann Maria Kamps. Thomas Gehringer

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