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Rechtsrepublikanischer Schlingerkurs

Seit 20 Monaten sitzen 15 Abgeordnete der „Republikaner“ im Landtag von Baden-Württemberg / Befremdliche Anträge zu „Fremdpflanzen“ und „Fremdfahrzeugen“ / Rep-Fraktion gilt als inkompetent  ■ Von Heide Platen

Nein, das hat Diplomphysiker Dr. Richard Eckert nicht gesagt oder zumindest nicht so gemeint. Der Abgeordnete der „Republikaner“ im Stuttgarter Landtag konterte im Januar mit einer Presseerklärung, die den Titel „Denunziatorische Unterstellung“ trägt. Er habe einer Heidelberger Schulklasse gegenüber nicht gesagt, die Rostocker Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte seien die „Selbsthilfe“ empörter Bürger gewesen. Und dann spaltet er das Haar fein säuberlich: Die Behörden hätten versagt, die Rostocker Bürger hätten deshalb die Anschläge als Selbsthilfe „apostrophiert“. Die empörten Schüler hatten das anders verstanden. Eckert habe ihre Frage nach den Ausschreitungen kurz und bündig beantwortet: „Das kann man als Selbsthilfe des Bürgers bezeichnen.“ Die SchülerInnen, die den baden-württembergischen Landtag Anfang Februar besichtigten, protestierten mit eher subtiler Subversion. Sie klebten ihre Kaugummis zwischen die im Foyer ausgelegten Presseerklärungen der „Republikaner“.

Richard Eckert ist einer der 15 Abgeordneten, eine Frau inbegriffen, die nach den Wahlen im April 1992 in das Parlament einzogen. Die CDU stellt 64 der 146 Sitze, die SPD 46 Abgeordnete der Großen Koalition, die Freien Demokraten bekamen 8 und die Grünen 13 Oppositionsstühle. Der Schreck über das 10,9-Prozent-Ergebnis der „Republikaner“ sitzt noch tief im Ländle. Die hatten eine „gnadenlose Oppositionspolitik“ angekündigt, schienen aber, erinnert sich ein Abgeordneter, „am Anfang Kreide gefressen zu haben“. Fraktionschef und Aushängeschild wurde der 39jährige Stuttgarter Rechtsanwalt Rolf Schlierer, als approbierter Arzt ein doppelt Studierter. In seinem marineblauen Anzug mit roter Krawatte, der artigen Fönfrisur über dem jungen Gesicht wirkt er wie ein Internatsschüler. Schlierer galt als einer zum Vorzeigen, Kronprinz und designierter Nachfolger von Parteichef Franz Schönhuber. Schlierers „Strategie“ sei es, sagen Kenner, „nach der CDU zu schielen“, die er, zumindest partiell, „aufweichen und als Bündnispartner gewinnen wollte“. Das aber brachte ihm parteiinterne Mißbilligung ein. Die Vorschußlorbeeren welkten schnell. Der Smartie gilt in den eigenen Reihen als „zu lasch“. An der Basis, bei Parteiversammlungen in Bierzelten und Mehrzweckhallen werde gemault: „Der bringt ein Volksfest zum Einschlafen.“ Dabei hatte Schlierer – einst von Ex-Ministerpräsident Hans Karl Filbinger als „interessant, gescheit und anregend“ gelobt – in seiner Antrittsrede brav die Dreh- und Angelpunkte seines Parteiprogramms abgehakt, gegen das Europa von Maastricht gewettert und den „Circulus vitiosus“ von „Masseneinwanderung, Wohnungsbedarf und Restflächenversiegelung“ beschworen.

„Eher neurotisch denn zum Fürchten“

Die Machtkämpfe der „Republikaner“ schwelen in Baden-Württemberg unter der Decke. Der vierschrötige Horst Trageiser gilt bei seinen Gegnern als „beinharter Rassist“. Er und sein Fraktionskollege Ulrich Deuschle flankieren den unliebsam gewordenen Schlierer. Diplomvolkswirt Deuschle – sein Spitzname im Parlament „Deutschle, möglichst mit oi“ – wurde ihm im vergangenen September als geschäftsführender stellvertretender Vorsitzender zur Seite gestellt, um ihn für den Bundestagswahlkampf „zu entlasten“. Schlierer sitze nun, heißt es im Flurfunk des Parlaments, „zwischen Baum und Borke“. Einerseits möchte er im Parlament salonfähig werden, andererseits will die Parteibasis mit markigen Sprüchen bei Laune gehalten werden.

Die „Republikaner“ haben sich in den letzten 20 Monaten den Ruf erworben, ihrer Abgeordnetentätigkeit nicht besonders eifrig nachzugehen. Von den Anfang 1994 gestellten 2.246 Anträgen, Anfragen und Gesetzentwürfen der 11. Wahlperiode verfaßten sie gerade mal 176 und wurden damit sogar von der halb so großen FDP überrundet, die immerhin 424 Beiträge einbrachte. Nicht die Spur von schwäbischem Fleiß: „Im Gegenteil“, sagen Parlamentskollegen, „die sind stinkend faul.“ Andere Attribute, mit denen die Parlamentsneulinge belegt werden, bringen es auch nicht bis zu den Sekundärtugenden: „steif“, „brav“, „grau in grau“. Christian Vogt- Moykopf, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen, zog ein weiteres Fazit: „...eher neurotisch denn zum Fürchten, aber gleichwohl gefährlich.“ In letzter Zeit sind die Töne der „Republikaner“ auf dem Rednerpult schärfer geworden. Trageiser wetterte gegen ein „multikulturelles Klein-Amerika“, gegen die „Ausplünderung Deutschlands“ durch Rest- Europa, sein Kollege, Hauptschullehrer Lothar König, gegen die „Überfremdung“ der Schulklassen.

Insgesamt aber bleiben die Reden und Schriften der „Republikaner“, bilanzieren die Abgeordneten, „mehr als dürftig“. „Egal, was die anfangen“, sagt der Grünen- Abgeordnete Rezzo Schlauch, „es kommt immer dabei raus, daß die Ausländer irgendwie an allem schuld sind.“ Jenseits der Gefährlichkeit solcher gebetsmühlenhaften Besessenheit habe das manchmal unfreiwillig komische Züge. Da ist die Anfrage an die Landesregierung, was diese gegen „außereuropäische Wildpflanzen“ zu tun gedenke. „Weder rückgängig zu machen noch in Zukunft zu vermeiden“, antworteten gleich vier geplagte Ministerien. Da mischen sich Grimm und Grinsen. Amerikanische Goldrute, Riesenbärenklau und Indisches Springkraut werden wohl artfremd weiterwuchern. Auch der Hinweis auf „Fremdfahrzeuge“ auf deutschen Straßen erregte eher Befremden im Hohen Hause: „Toyota oder Touristen?“ – Nach anfänglicher Abstinenz haben die „Republikaner“ auch die Bildungs-, Sicherheits- und Umweltpolitik entdeckt. So fragten sie im November 1993 nach den Kosten für den Schulunterricht von Kindern von Asylbewerbern, schauderten bei dem Modellprojekt „Ausländer bei der Polizei“ bei der Vision, daß ein „Angehöriger fremdstaatlicher Autorität“ „zwangsbewehrte Eingriffsmaßnahmen“ auf deutschem Boden anwenden könnte. Abgeordneter Max Reimann machte sich Gedanken über das „Müllproblem in Asylunterkünften“ und die daraus möglicherweise folgenden Krankheiten „durch auftretendes Ungeziefer“. Abgeordneter Michael Herbricht forderte Zwangsuntersuchungen auf Tuberkulose für Asylbewerber.

Das Temperament der baden- württembergischen Parlamentarier ist unbestritten südlich. Schreie, Lachen, Zu- und Zwischenrufe lassen andere Landeshäuser dröge und gesittet aussehen. Da hat der Rep-Abgeordnete Klaus Rapp aus Pforzheim einen schweren Stand. Um den Zustand des Handwerks geht es am Mittag dieses zweiten Sitzungstages in der Plenarwoche Anfang Februar. Rapp stammelt und stottert, der rote Faden seiner Rede entschwindet in zunehmender Sinnlosigkeit. Dabei hatte der Vorredner von der FDP, Bäcker- und Konditormeister Bloemecke, in der zwischen Regierungsbank und CDU regelrecht eingequetschten „Republikaner“-Riege doch so viel Zustimmung, so viel heftiges Kopfnicken, sogar einmal versehentlich einen spontan-verlegenen Einzelapplaus bekommen. Rapp haspelt am Mikrophon vorbei, als er sich für das einheimische Baugewerbe stark machen möchte. Aus der Grünen- Bank tönt es hinterhältig: „Das Handwerk ist aber lebendiger als der Redner!“ Für Facharbeiter, kristallisiert sich mühselig heraus, ist Rapp und gegen den „Akademikerstaat“ und gegen die CDUler, die „noch nie schmutzige Finger gehabt haben“. Das meint der gelernte Offsetdrucker ehrlich, nicht im übertragenen Sinne.

Schwieriger wird die Häme, wenn die „Republikaner“ sich für mehr öffentlichen Nahverkehr, gegen die Zentralisierung der Allgemeinen Ortskrankenkasse, gegen bestrahlte Lebensmittel, für Wohnungen für Frauen aus Frauenhäusern einsetzen. Doch solche Versuche sind unbeholfen und selten. Statt dessen sehen sich die Rechtsausleger gern als die zu Unrecht observierte, zu Unrecht verfolgte Unschuld. Eine am 7. Februar im Foyer des Stuttgarter Landtags von Innenminister Birzele (SPD) eröffnete Ausstellung „Biedermänner und Brandstifter – Gewalt von rechts in Baden-Württemberg“ zeigt unter anderem auch Schriften und Parolen der „Republikaner“. Die protestierten dagegen mit Plakaten, auf denen Politiker anderer Parteien mit auch nicht zimperlichen Sprüchen zum Thema Asylpolitik zitiert wurden. Da trifft die braune Kritik an den „Altparteien“ einen empfindlichen Nerv.

Reps forderten „ethnisch reine Gebiete in Europa“

Parteikollege Eckert, der für sich in Anspruch nimmt, „immer in allen Punkten eine ehrliche Antwort zu geben“, hatte sein Waterloo, als er dem Parlament außer zu seiner Rostock-Äußerung auch zu anderen Entgleisungen öffentlich Rede und Antwort stand. Die Schülerfrage, was er tue, wenn „ihm ein Ausländer entgegenkommt“, soll er mit einer Gegenfrage beantwortet haben: „Was soll ich denn tun, wenn ich alleine bin?“ Ähnlichen Unmut hatte er mit dem von ihm genannten Parteiziel der Schaffung von „ethnisch reinen Gebieten in Europa“ erregt. Und dann kam auch noch die Frage nach der „Selbsthilfe der Bürger“ in Rostock aufs Tapet. Da konnte ihm auch sein Parteikollege Schlierer nicht helfen, der sich für ihn in die Bresche warf. Innenminister Birzele (SPD) beendete die offizielle Redeliste zum Thema „Rechtsextremismus“ mit Zitaten aus Präambel und Parteiprogramm der „Republikaner“ und dem daraus resultierenden Beschluß des Stuttgarter Verwaltungsgerichtes, das der Schönhuber-Partei verfassungsfeindliche und antidemokratische Tendenzen bescheinigt hatte. Es entschied in erster Instanz, daß die polizeiliche Überwachung in Baden-Württemberg Rechtens sei. – Seither sehen sich die „Republikaner“ in der Rolle der politischen Märtyrer. Schlierer unterschrieb ein in 200.000facher Auflage gedrucktes Faltblatt, wonach die Bonner „Altparteien“ sie „durch Gewaltaktionen gegen Ausländer, Asylbewerber und jüdische Einrichtungen, die gezielt begangen werden, um sie dann fälschlicherweise den Republikanern in die Schuhe zu schieben“, mit „unlauteren Mitteln vernichten“ wollten. Währenddessen spotten Funktionäre anderer rechtsextremer Gruppen schon über die braunen Parlamentarier und ihr verbales Bekenntnis zur Demokratie. FAP-Chef Busse betrachtete die „Republikaner“ „als Durchlauferhitzer“, deren Mitglieder zu ihm überlaufen werden.

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