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Embargobruch durch Etikettenschwindel

■ Zwei Hamburger Firmen lieferten ein Fingerabdrucksystem an die südafrikanische Polizei lieferten, as sich auch beim Bundeskriminalamt großer Beliebtheit erfreut Von Marco Carini

Das Geschäft ist sorgfältig vorbereitet, die Exportunterlagen sind trickreich frisiert. Im Februar 1991 liefern die Hamburger Firmen „Dermalog“ und „Micro and Security Elektronic GmbH“ in krimineller Eintracht ein Fingerabdrucksystem an die Polizei des Apartheidsstaates Südafrika. Trotz eindeutiger Embargo-Bestimmungen. Denn im November 1985 hatte die EG-Ministertagung Handelssanktionen gegen das Rassisten-Regime am Kap beschlossen, die auch „die Einstellung des Verkaufs von Computergerät“ an die südafrikanische Polizei beinhalten.

Das weiß auch Dermalog-Geschäftsführer Günther Willi Otto Mull, einer der Drahtzieher des geschickt eingefädelten Embargo-Bruchs. Die Ausfuhrbehörden blufft der 40jährige Humanbiologe deshalb mit einem schlichten Etikettenschwindel. Denn seine am Harburger „Radeland“ beheimatete Firma hat zwei sogenannte „AFIS“-Systeme im Repertoire.

Beim Bundesamt für Wirtschaft läßt er zum Südafrika-Export ein sogenanntes Medical-“Automated Feature Interpretation System“ anmelden, mit welchem vor der Geburt genetische Schäden von Kindern ermittelt werden können. Doch auf die Reise in den Apartheidsstaat geht „AFIS“ Nummer zwei: Das Automatic Fingerprint Identification System“. In das aus einer Daten- und einer Bildbank bestehende High-Tech-System können rund 100.000 Fingerabdrücke „einge-scannt“ und mit Personendaten versehen werden.

Das System, das weltweit nur von wenigen Firmen angeboten wird, erfreut sich auch beim Bundeskriminalamt hoher Beliebtheit. Hier wird es zur Identifizierung von Flüchtlingen eingesetzt, die im Verdacht stehen, unter verschiedenen Namen mehrere Asylanträge gestellt zu haben.

Abgewickelt wird das illegale Exportgeschäft über die inzwischen aufgelöste Hamburger Firma „Micro und Security Electronic GmbH“. Sie beantragt die Genehmigung für den Export des medizinischen AFIS-Systems nach Südafrika und erhält diese im Oktober 1990. Im Export-Antrag an das zuständige Bundesamt für Wirtschaft versicherte die Gesellschaft ausdrücklich, daß das Gerät „nicht für Polizei oder Militär“ gedacht ist.

Als Empfänger wird das medizinische Institut „Megasource“ im südafrikanischen Watercloof angegeben. „Offenbar eine Tarnadresse“, weiß die Hamburger Zollfahndung heute. Denn der wirkliche Empfänger ist ein ganz anderer: Die Polizeizentrale in Johannesburg. Dort wird die Datenbank von zwei mitgereisten Dermalog-Mitarbeitern eigenhändig installiert.

Trotz geschickter Tarnung: Die Zollabteilung der Hamburger Oberfinanzdirektion hätte es besser wissen können. Am 4. Februar 1991, drei Tage, bevor die verbotene Fracht ihren Weg in den Apartheidsstaat antritt, enthüllt die taz hamburg unter der Überschrift „Fingerabdrucksysteme an Südafrikas Polizei?“ die Grundzüge des geplanten Embargo-Bruchs. Auch die Hannoversche Europa-Abgeordnete Barbara Simons (SPD) macht Anfang Februar auf das illegale Geschäft aufmerksam: „Nach gesicherten Informationen“ so Simons damals, „soll es in den nächsten Wochen zu einem Handel zwischen der Hamburger Firma Dermalog und einem südafrikanischen Konzern kommen, bei dem Computerausrüstung in Millionenhöhe den Besitzer wechselt“. Nach ihr vorliegenden Informationen „deute alles darauf hin, daß der eigentliche Empfänger die südafrikanische Polizei sei“.

Der Zoll aber ignoriert die Hinweise, die heiße Ware verläßt am 7.2.1991 per Flugzeug Deutschland Richtung Jan Smuts-Airport Johannesburg. Kurt Zippert, stellvertretender Vorsteher des Zollfahndungsamtes Hamburg, weiß heute: „Damals haben meine Kollegen das falsch bewertet“.

Als weitere anonyme Hinweise auf den Geheim-Deal eingehen, erscheinen im Juli 1991, fünf Monate nach dem Embargo-Bruch, Bedienstete der Oberfinanzdirektion in der Harburger Firma zu einer Außenwirtschaftsüberprüfung. Während im ersten Stock der Dermalog-Zentrale ganz unverblümt die Andenken-Fotos von der Installation des Fahndungs-Computers in der Johannesburger Polizei-Zentrale die Wände schmückten, werden die Zoll-Kontrolleure im Erdgeschoß mit den sorgfältig manipulierten Export-Unterlagen abgespeist. Die Beamten gehen unverrichteter Dinge von dannen.

Auch bei der „Micro and Security Electronic GmbH“ prüft der Zoll die Bücher. Ebenfalls ergebnislos. Norbert Goworr vom Bundesamt für Wirtschaft: „Die Prüfung hat keinerlei Hinweise auf eine polizeiliche oder militärische Nutzung und somit keine Beanstandung ergeben“. Ein Mitarbeiter der Oberfinanzdirektion erinnert sich: „Wir hatten ein ungutes Gefühl, konnten aber nichts beweisen“. Die Konsequenz: Der Fall wird zu den Akten gelegt.

Erst weitere taz-Recherchen bringen im Sommer vergangenen Jahres den Stein erneut ins Rollen. Mehrere Dermalog-MitarbeiterInnen bestätigten die Vorwürfe und liefern Details über den Computer-Schmuggel. Nachdem die taz die Oberfinanzdirektion im August über die neuen Verdachtsmomente informiert hat, schlagen die Zollfahnder schließlich zu. Anfang September durchsuchen sie die Dermalog-Geschäftsräume. Und werden fündig: „Wir haben genügend Unterlagen sichergestellt, um zu beweisen, daß ein fälschlich als medizinisches Gerät deklariertes Fingerabdrucksystem an die Johannisburger Polizeizentrale geliefert wurde“, bestätigt die Hamburger Zollbehörde heute.

Neben den Vertragspapieren, die eindeutigen Aufschluß über den illegalen Deal geben, finden die Fahnder jede Menge frisierte Briefwechsel, in denen zum Schein mit südafrikanischen Ärzten über den Export verhandelt wurde. Die Herren im weißen Kittel entpuppten sich bei genauerer Betrachtung allerdings als Männer in grüner Uniform – allesamt Mitglieder des südafrikanischen Polizeiapparats.

Doch auf Indizien ist die Staatsanwaltschaft nicht mehr angewiesen. Von der Zollfahndung stundenlang ins Kreuzverhör genommen, legt Mull, so einer der Fahnder, „ein hundertprozentiges Geständnis“ ab.

Der Firmenchef hatte selbst seinen engsten MitarbeiterInnen lange verheimlicht, in welches Land das Fingerabdrucksystem geliefert werden sollte. Nur durch einen Zufall wurde ihnen das Empfängerland bekannt. Zur Rede gestellt erklärte Mull seinen Bediensteten damals, daß Fahndungsgerät solle in einer südafrikanischen Diamantenmine zur Aufklärung von Diebstählen eingesetzt werden. Erst Monate später gibt er dann firmenintern zu: „Das ging an die südafrikanische Polizei“. Der taz lügt er wenige Tage vor dem Export vor, an den Embargobruch-Vorwürfen sei „nichts dran“, seine eingeweihten MitarbeiterInnen verpflichtet er zu strengstem Stillschweigen.

Die Zollfahndung will ihre gesammelten Erkenntnisse in den kommenden Wochen der Hamburger Staatsanwaltschaft zuleiten. Dann wird es ernst für Günther Mull. Denn laut §34 des Außenwirtschaftsgesetzes droht den Initiatoren des Embargo-Verstoßes eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Auch wenn der Deal über die „Micro and Security Electronic GmbH“ abgewickelt wurde, wird sich der Dermalog-Chef zumindest wegen Mittäterschaft oder Beihilfe bei dem Embargo-Bruch verantworten müssen.

Daß die Exportbestimmungen im Fall Südafrika inzwischen liberalisiert wurden, spielt dabei keine Rolle. Zollfahnder Zippert weiß: „Die Embargo-Bestimmungen waren zum Zeitpunkt des Exports noch in Kraft, daß Außenwirtschaftsrecht ist deshalb anzuwenden“. Vor Gericht werde aber eine Rolle spielen, vermutet Kurt Zippert, ob eine Ausfuhr hätte erfolgen können, wären die Unterlagen nicht manipuliert und der Verwendungszweck sowie der Empfänger des AFIS-Systems korrekt angegeben worden.

Doch genau das wäre nicht der Fall gewesen. Norbert Goworr vom zuständigen Bundesamt für Wirtschaft ist sich sicher: „Wir hätten solchen Lieferungen an die südafrikanische Polizei niemals zugestimmt“.

Das wußte offensichtlich auch Günther Mull.

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