: Brüssel muß erst mal verdauen
■ Der EU-Außenministerrat will erst nach eingehender Analyse des Entscheids Druck auf die Schweiz ausüben
Aus Sicht der Europäischen Union (EU) in Brüssel ist der Schweizer Entscheid eine mittlere Katastrophe. Der Außenministerrat, der heute wie schon gestern über die Erweiterung der EU berät, „bedauert das Ergebnis“. Der Volksentscheid werde die bilateralen Verhandlungen erschweren, so der Bonner Staatssekretär Jürgen Trumpf, der den abwesenden Außenminister Kinkel in Brüssel vertritt. Er stelle aber noch keine Verletzung des Transitvertrages mit der EU dar. Tatsächlich wird der Transitvertrag erst verletzt, wenn die Berner Regierung den Volksentscheid umsetzt – was aber anzunehmen ist.
Die Europäische Kommission wurde beauftragt, die Auswirkungen der Schweizer Entscheidung zu analysieren. Erst danach, so ein Sprecher der Kommission, werde man eine endgültige Stellungnahme abgeben. Es sei aber nicht ausgeschlossen, daß die Schweizer Entscheidung Auswirkungen auf andere Verhandlungen zwischen Bern und der EU haben wird. Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU war auch vor dem negativen Volksentscheid schon kompliziert. Weil sich die Schweiz – ebenfalls nach einem ablehnenden Volksentscheid – nicht am Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beteiligt, soll das Land nun durch bilaterale Verträge zwischen Bern und Brüssel so nahe wie möglich an die EU herangebracht werden. Bei den Verhandlungen geht es nicht nur um Agrarexporte, sondern auch um den Abbau technischer Handelshemmnisse, um Forschungszusammenarbeit oder um einen Berner Antrag, den Schweizer Spediteuren Zugang zum EU- Binnenmarkt zu verschaffen. Besonders wichtig für die Schweiz ist ein Luftverkehrsabkommen mit der EU, da andernfalls die Swiss Air kaum überleben dürfte. Das Klima bei diesen Gesprächen wird nun frostig werden. Die Europäische Kommission wird alle Druckmittel einsetzen, um Bern zu einer Lockerung des Alpenschutzes zu bewegen. Doch nach Einschätzung von Schweizer Journalisten in Brüssel ist der Spielraum der Berner Regierung nach dem Volksvotum „gleich null, und das nicht nur im Verkehrsbereich“.
Dagegen verbessert sich die Verhandlungsposition des Nachbarn Österreich. Zwar müßte die EU jetzt noch stärker auf eine möglichst verkehrdurchlässige Transitregelung für den Brenner drängen. Gleichzeitig aber muß Brüssel noch viel mehr Rücksicht auf die Stimmung in der Bevölkerung nehmen. Wenn die ÖsterreicherInnen im Referendum um den EU-Beitritt mehrheitlich den Daumen senken, dann sind die Alpen dicht. Alois Berger, Brüssel
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