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SanssouciNachschlag

■ Na denn Prost! Paul-Scheerbart-Abend im Homunkulus

Paul Scheerbart: Selbstbildnis Abbildung: Porto Editori

Lachen würde ich auch, wenn gar nichts aus der Geschichte würde“, schrieb Paul Scheerbart über sein Perpetuum-mobile- Projekt. Jeden Pfennig, den er nicht vertrank oder den er sich gar vom Mund seiner Frau absparte, steckte er in die Versuche zur Realisation dieser Utopie. Seinen sonder-wunderbaren Humor bewahrte er sich dabei. Neben der selbsttätig sich drehenden Idee stieg er schriftstellerisch gern ins All auf, baute dort Glaswelten oder reimte Kristallenes für Bruno Taut. Eine kleine Fangemeinde liebt diesen Jahrhundertwende-Autor, Christoph Marthaler murxte mit Bravour auf seinen Fersen, aber nur ab und an ist ein Theaterstück von ihm zu sehen. Lachen würde ich, wenn es nicht so bliebe.

Im Figurentheater Homunkulus wurde am Samstag ein Scheerbart-Abend aus drei seiner Erzählungen gezeigt. Die Ernst-Busch-Schauspielschüler Dietmar Blume und Lars Weström haben hier assoziativ verknüpft, was schon im Original ein brainstorming quer durch die Galaxien war. Eine Puppe namens Marianne wird aus einem Mantel und einer Plastiktüte auf der Bühne gefertigt, besungen und Don-Quichott'sch das Phantom im Kampfe erobert. Daneben baut Professor Kienbein ein Elektrizitäts-Mobile aus einer wackeligen Haushaltsleiter, einer Beckettschen Mülltonne und diversen Teleskopen.

Die beiden Darsteller üben sich im Absurden, stürzen übereinander, wackeln wagemutig auf der Leiter und zeigen ausgebildete Körperarbeit. Wer Scheerbart kennt, sieht Versatzstücke lärmend an sich vorüberziehen, hier ein Perpetuum, dort das All. In der Entropie ein kleiner Höhepunkt, als die beiden auf der zum Flugkörper umgebauten Leiter zum Planeten Plecho reisen: Zu einem stimmigen Bild wird da die Scheerbart-gemäße Groteske.

Warum es allerdings unbedingt ein eigenständiges Kunstwerk werden mußte, weiß man so recht nicht. Schüttelt man Fragmente eines Autors zusammen, werden sie nicht unbedingt intelligenter, sondern verlieren, wie hier, ihre absurde Logik. Zudem: Warum Neues schaffen, wenn es im Übermaß vorhanden ist, so ironisch Scheerbart: „Wir können eine ganze Reihe von Stücken in abgekürzter Form bringen. Warum sollte sich ein Theater mit abgekürzten Verfahren in Berlin nicht halten können? Wir haben hundert unbeschäftigte Dramendichter engagiert, die das Abkürzen binnen drei Tagen bewerkstelligen können.“ Wär' das nichts fürs Schiller Theater?

Ganz unabhängig davon, meinte nach der 50minütigen Aufführung eine Zuschauerin, „schön kurz, da kann man nach dem Theater wenigstens noch einen trinken gehen“. Hoffentlich hat Paul Scheerbart in den ewigen Allgründen diesen O-Ton vernommen. Caroline Roeder

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