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Der Streit der Hansestädte um die EVB

■ Hamburg und Bremen können sich über die Elbe-Weser-Bahn nicht einigen / Hamburg fürchtet die Konkurrenz / Container weiter per LKW auf den Straßen des „Nassen Dreiecks“

Container von der Straße – nur der Hamburger Hafen ist dagegen. Tag und Nacht donnern Laster mitten durch die Dörfer der Elbe-Weser-Region. Allein 75000 Container werden jährlich zwischen den Hafenstädten Hamburg und Bremerhaven auf der Straße hin- und hergefahren. Hauptsächlich auf Kosten der Anwohner: Lärm, Abgase und erhöhtes Unfallrisiko sind der Alltag.

Dabei könnte seit einem Jahr ein Großteil der Containertransporte auf die Schiene verlagert werden, denn die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) haben 86 Streckenkilometer alter Schienenwege zwischen Bremerhaven und Hamburg, die eigentlich stillgelegt werden sollten, renoviert und auch für schweren Containergüterverkehr tauglich gemacht. Doch die vier eigens für den geplanten Containershuttle-Verkehr angeschafften Güterloks stehen nutzlos herum und können nicht eingesetzt werden.

Hamburg verweigert die Fahrrechte für 1,5 Kilometer Gleis

Da die zukünftige Containerstrecke der EVB in Tostedt an der Bundesbahn-Trasse Hamburg-Bremen endet, will sie ab dort die bundeseigenen Gleise Richtung Hamburg nutzen; dort fehlen ihr Fahrrechte für 1,5 km Gleise der Hamburger Hafenbahn, die im Eigentum der Stadt Hamburg ist. Während die Bundesbahn der EVB Fahrrechte zugestanden hat, werden ihr für die 1500 Meter der Hafenbahn die Fahrrechte verweigert.

Der Hamburger Senat fürchtet eine Verlagerung des Containerumschlags nach Bremerhaven. Diese Befürchtung ist jedoch völlig unbegründet, denn der EVB geht es sowieso nur um die Container, die schon jetzt zwischen den Hafenstädten transportiert werden – bisher zu 75 Prozent auf der Straße. Hinzu kommt, daß laut Ulli Koch, Prokurist der EVB, die Reeder den Umschlag der Container längst von Hamburg nach Bremerhaven hätten verlagern können. Sie haben dies bisher nicht getan und werden es auch in Zukunft nicht tun, weil bei der Entscheidung für den passenden Containerentladeort ganz andere Kriterien eine Rolle spielen, die zumeist Hamburg den Vorzug geben: Wo ist gerade Lagerkapazität frei, wohin sollen die Container nach der Entladung, wie schnell muß das Schiff weiter, kann es sich einen Tag Fahrzeit durch die Elbe erlauben?

Die Hamburger Hafenwirtschaft hat ein absurdes und besonders für die Anwohner der vielbefahrenen Straßen zwischen Elbe und Weser geradezu zynisches „Argument“ in die öffentlichen Debatte geworfen: Wenn die Container in Bremerhaven entladen werden, um dann die Reise per Bahn nach Hamburg fortzusetzen, sei das eine ökologisch unsinnige Verlagerung von umweltfreundlichen Schiffstransporten auf die Schiene. Der wahre Hintergrund dürfte sein, daß Hamburg eine gigantische Ausweitung des Containerhafens plant.

Würde Hamburg stattdessen auf ein Halten der gegenwärtigen Umschlagsmenge mit den vorhandenen Kapazitäten setzen und die zu erwartenden Umweltschäden durch Hafenerweiterung und weitere Ausbaggerung der Elbe begrenzen, dürfte die Verlagerung von Containern auf die Schiene kein Streitthema sein. Niedersachsens SPD-Wirtschaftsminister Fischer: „Wir haben hier eine hervorragende Schieneninfrastruktur geschaffen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum diese nicht genutzt werden soll.“ Schließlich hat das Land Niedersachsen einige Millionen Mark Starthilfe für das Projekt Regionalbahn Elbe-Weser gegeben. Schon jetzt arbeitet die EVB mit einem Kostendeckungsgrad von etwa 90 Prozent, unter anderem mit Schienenpersonenverkehr in der neuen Verbindung Bremerhaven-Hamburg. Die Erwartungen der EVB seien dort bei weitem übertoffen worden, so Prokurist Ulli Koch.

Würde Hamburg nicht blockieren, könnte die EVB Gewinne abwerfen

Zudem tätigt sie beachtliche Einnahmen mit landwirtschaftlichen Massentransporten und Stückgutverkehr – beides Geschäftsbereiche, die die Bundesbahn in der Region zwischen Elbe und Weser längst aufgeben wollte. Mit den vertraglich bereits abgesicherten Containertransporten könnte die EVB sogar in die Gewinnzone fahren. Verhindert der Hamburger Senat jedoch weiterhin die Durchführung dieses geplanten Güterverkehrs, droht das europaweit stark beachtete Modellprojekt Elbe-Weser-Eisenbahn abzustürzen und zu einem Subventionsempfänger zu werden. Streckenstillegung droht, wenn die Anteilseigner der EVB – u. a. der Landkreis Stade – auf Dauer finanziell nicht in der Lage sind, die EVB zu subventionieren. Das aber kann sich die Elbe-Weser-Region angesichts der hoffnungslos verstopften Straßen erst recht nicht leisten.

In Sachen Güterverkehr hofft die EVB nun auf die Europäische Gemeinschaft. Im Rahmen der sogenannten Deregulierung sollen auch die Schienenwege vom Eigentümer für andere Nutzer geöffnet werden, die Zeiten von Monopolbetrieben wie der Staatsbahn oder der Hamburger Hafenbahn endgültig vorbei sein.

Genau die will Ulli Koch aufs Korn nehmen. Die Hafenbahn nimmt für sich in Anspruch, eine Privatbahn zu sein, obwohl sie doch in Hamburger Staatsbesitz ist. Der EVB verweigert der Senat die Zufahrt, gegen eigene Züge Hamburger Hafenspediteure hat er dagegen nichts einzuwenden. Einer der größten Gegner der Regionalbahn, der Spediteur Egon Wenk, darf seinen „Polzug“ zwischen Hamburg und Warschau - natürlich - über die Hafenbahngleise fahren lassen.

Gegen zweierlei Maß wehrt sich Ulli Koch mit einem interessanten Vorschlag: Wenn es bei dem privaten Status der Hafenbahn bliebe, müßten die Straßen ebenfalls privatisiert werden. Noch könne sie jeder nutzen.

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