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Filmzensur im U-Bahn-Tunnel

■ BVG verhängt Drehverbot für Gewaltszenen in der U-Bahn / Zentralbüro für Filmemacher in Berlin überfällig

Zwölf Tage nach der Berlinale versinkt die Hauptstadt wieder im provinziellen Filmmief. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) verweigerten der französischen Regisseurin Sylvie Michel-Casey die Drehgenehmigung in der U-Bahn. Die Filmemacherin hatte 40.000 Mark Fördermittel von der Senatsverwaltung für Kultur für ihren Kurzfilm „Gewalt der Angst“ erhalten. Die Geschäftsleitung der BVG verhängte „bis auf weiteres“ ein generelles Drehverbot für Gewaltszenen. Ausnahmen werden nur in „ganz besonderen Einzelfällen“ gemacht. BVG-Sprecher Wolfgang Göbel, der seit letztem Sommer bei Filmfirmen eine Tendenz feststellt, „Gewalt ausschließlich in der U-Bahn darzustellen“, begründet die Verweigerung mit dem Argument, der Film, dessen Drehbuch er gelesen hat, schade dem „Image“ und dem „erfolgreichen Bemühen der BVG zur Erhöhung der Sicherheit“. „Gewalt gibt es auch in der Gesellschaft, nicht nur in der U-Bahn“, so Göbel.

Produktionsleiter Frank Dragun findet das Verhalten der BVG „skandalös“ und hat den Drehort nach Prag verlegt, wo die Behörden sehr kooperativ seien. Ein Film, der erzählt, wie sich ein einzelner gegen die Bedrohung durch grölende Skins zur Wehr setzt und damit zeigt, daß man durch Eingreifen helfen kann, sei geradezu „imagefördernd“. Durch den Umzug nach Prag erhöhen sich die Produktionskosten um mindestens 35.000 Mark. Auch die Regisseurin, die über die negative Reaktion „schockiert“ war, ist „froh, in Prag zu sein“.

Der Pressesprecher der Senatsverwaltung für Kultur, Rainer Klemke, hat zwar Verständis dafür, daß die BVG eine „negative Wertung“ fürchtet, findet es aber unangebracht, daß Filmemacher gezwungen werden, Drehorte außerhalb Berlins zu suchen. Karin Marquard vom Filmreferat hat vergeblich versucht, bei der BVG zu intervenieren. In anderen Fällen ist ihr das gelungen. Als im letzten Jahr Filmszenen zu „Katharina die Große“ im Schloß Charlottenburg gedreht werden sollten und den Filmemachern eine Absage erteilt wurde, konnte sie eine Genehmigung durchsetzen.

Das Filmreferat muß solche Angelegenheiten „nebenbei“ erledigen. Denn eine zentrale Anlaufstelle für Filmemacher gibt es in Berlin noch nicht. Das größte Problem bestehe darin, so Klemke, daß es „wahnsinnig viele Zuständigkeiten“ gibt und Hunderte von Genehmigungen eingeholt werden müssen. Aus eben diesem Grund will die für Berlin und Brandenburg geplante Filmboard GmbH auch einen Servicebereich zur Vereinfachung der Bürokratie einrichten.

Was in Berlin noch in den Filmsternen steht, ist in München und Hamburg schon längst Realität. Die sogenannten „Film Commissions“ sind kostenlose Kontakt- und Anlaufstellen für Filmemacher, deren wichtigstes Anliegen die „Erleichterung des Filmens für alle Beteiligten“ ist. Seit 1988 hilft das von der Bayerischen Staatsregierung gegründete Informationsbüro Film München gerade bei „schwierigen Dreharbeiten in besonders sensiblen Bereichen von Stadt und Staat“. Die Leiterin Christa Reh konnte beispielsweise im letzten Jahr bei einem ähnlichen Fall wie in Berlin nach einer ersten Absage der Münchner Verkehrsbetriebe aus Angst vor Negativwerbung eine Drehgenehmigung erwirken. In diesem Fall waren die Verkehrsbetriebe aber wesentlich kooperativer als in Berlin: Unter der Bedingung, daß im Film Hilfe über eine Notrufsäule geholt wird, durfte gedreht werden.

Für Christa Reh ist die Einrichtung eines solchen Büros an der Spree „längst überfällig“. In München wird derzeit versucht, zur weiteren Vereinfachung der Filmarbeiten direkt mit der Staatskanzlei zusammenzuarbeiten. Auch Christine Berg, vom 1992 in Hamburg gegründeten Büro, bedauert, daß es in Berlin noch keine zentrale Anlaufstelle gibt. Um eine Großstadt „transparent zu machen“, sei das unabdingbar. „Wo viel gedreht wird, gibt es immer Probleme.“ Entscheidend sei eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Behörden.

„Wir ziehen doch alle an einem Strang“, kritisiert Klemke die Tatsache, daß die 40.000 Mark Fördermittel für „Gewalt der Angst“ nun in Prags Kassen fließen. Von den im letzten Jahr vergebenen 19,8 Millionen Mark Filmfördermitteln flossen 73,5 Millionen Mark als Ausgaben für Mieten, Produktionsstätten, Engagements etc. zurück nach Berlin. Barbara Bollwahn

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