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„Der Spaß hört langsam auf“

Gang Starrs Guru über Erfolg, Gangsta-Rap und den besten DJ aller Zeiten  ■ Von Kirsten Niemann

Mal ehrlich, hätte man Gang Starr nicht schon beinahe abgeschrieben? Nicht etwa, daß man Gerüchte über ihre Trennung gehört hätte. Nein, es kam viel schlimmer: „Jazzmatazz“, das letzte Projekt von Rapper Keith Elan alias Guru, erwies sich für die Fans von Gang Starrs unverfälschtem HipHop als ein Windei. DJ Premier blieb derweil wenigstens beim HipHop und lieh seine Beats dem Hardcore-Prediger KRS-One für dessen letztes Album „Return of the Boom Bap“. Nach fast zwei Jahren Pause haben sich Gang Starr nun mit ihrem neuen Album „Hard to Earn“ zurückgemeldet.

Obwohl Gang Starr schon direkt nach ihrem Debüt „No more Mr. Nice Guy“, das 1989 noch auf dem US-Label Wild Pitch erschien, bei der Industrie unter Vertrag genommen wurden, war das noch lange keine Garantie für kommerziellen Erfolg. 1990 veröffentlichten Columbia Records die Single „Jazz Thing“, die mit Alt- Jazzer Branford Marsalis eingespielt und aufgenommen wurde. „Jazz Thing“ gilt als Auslöser des Jazz-Rap und wurde direkt von Spike Lee in seinem Film „Mo' better Blues“ gewürdigt. „Wir haben immer schon Platten gemacht, die einfach dope waren“, meint Guru, von Gang Starrs Qualitäten absolut überzeugt, „,Step into the Arena‘ (1991 auf Chrysalis/EMI erschienen) war nicht nur der Einstieg in die Industrie, sondern präsentiert unseren besten HipHop überhaupt. Unser nächstes Album ,Daily Operation‘ (1992) zeigt dagegen, daß das, was wir machen, unser tägliches Geschäft ist. Wir wurden zwar schon immer von allen respektiert, aber finanziell war davon nichts zu spüren. Das war manchmal schon frustrierend.“

Das soll sich nun ändern: Nach „Hard to Earn“ – die Platte trägt ihren Namen also vollkommen zu Recht – gab es allein in den USA schon 700.000 Anfragen, bevor sie überhaupt auf dem Markt war. „Wir machen das schließlich nicht nur aus Spaß“, legt Guru seinen Standpunkt dar, „wir sind nicht nur Künstler, sondern auch Geschäftsleute. Eigentlich müßten wir noch viel erfolgreicher sein.“

War das Projekt „Jazzmatazz“ noch eher als eine Huldigung an die BeBop-Musiker der fünfziger und frühen sechziger Jahre gedacht gewesen, so sind Gang Starr in Sachen HipHop weiterhin so rein wie eine Bergquelle: „two turntables and a mic“ sind die grundsätzlichen Elemente für die Beats und Reime, die vor allem in den Jeeps und auf der Straße wummern sollen. Gurus Reime erscheinen noch lässiger als sonst. Er ist bestimmt kein Virtuose in Sachen Schnelligkeit und versucht auch nicht, durch hitziges Shouting Wut zu vermitteln. Er weiß eben, was er hat: eine großartige Stimme, die allein durch ihre Monotonie zu überzeugen vermag. „Mostly tha Voice“ läßt das direkt anklingen. „A lot of rappers got flavor and some skills, but if your voice ain't dope than you need to chill ... it's mostly tha voice, that lifts you up“, heißt es da. Die Lyrics handeln vom Leben und Überleben der schwarzen Kids in New York, Brooklyn. Guru versucht, seinen Geschichten allein durch ihre Alltäglichkeit Authentizität zu verleihen. Brooklyn ist „The Planet“, der seinen eigenen Regeln unterliegt und eine eigene Sprache hat. „Code of the Streets“ oder „Alongwaytogo“ beschreiben das ebenfalls recht eindrucksvoll. Aber hier wird kein demonstratives Maschinengewehr eingesampelt, und Guru läßt sich auch nicht zu Äußerungen hinreißen, die man gemeinhin als „frauenfeindlich“ bezeichnen könnte. Die Lyrics haben dadurch natürlich eine vergleichsweise geringere Angriffsfläche als die anderer HipHop-Acts. Gang Starr sind weder religiöse Fanatiker, noch fordern sie dazu auf, Schwule oder Weiße zu verprügeln. Guru: „In New York würde keiner eine Frau bitch nennen. Wir machen keinen Gangsta-Rap. Wir repräsentieren New York und die Ostküste und nicht Los Angeles. Wir respektieren, was Ice Cube und Snoop Doggy Dogg machen, aber wir haben unser eigenes Ding. Nebenbei, Snoop sagte einmal ,it's not an eastcoast or a westcoast thing, it's a dope thing!‘“ Aber schließlich kommen Gang Starr auch aus anderen Verhältnissen als Rap-Kollege Snoop Doggy Dogg oder KRS-One: Guru ist als Sohn eines Bostoner Richters aufgewachsen.

Die musikalische Weiterentwicklung von „Hard to Earn“ geht zum größten Teil auf das Konto von Premier, dem „besten DJ auf der Welt“, so Guru. Langsame Hooks und sparsam eingesampelte Soundfetzen haben schon immer den abstrakten Beat von Premier ausgemacht. Aber „Hard to Earn“ ist selbst im Vergleich zu den früheren Platten geradezu furztrocken arrangiert: Gurus Stimme wird von einem rhythmischen Rauschen begleitet, einzelne Fieps- und Pfeiftöne dröseln den mehrschichtigen Hintergrund auf. Schön ist auch, daß Premier scratcht, daß sich das Vinyl biegt, denn das hört man leider immer seltener. Doch trotz eindeutiger Anklänge an die Old School ist die Platte eine der modernsten, die in letzter Zeit erschienen sind. Nach „Hard to Earn“ hat Guru sogar Kredit für zehn weitere „Jazzmatazz“-Platten, wenn es denn unbedingt sein muß.

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