: „Die Militärhilfe ist sowieso obsolet“
■ Karsten Voigt, außenpolitischer SPD-Sprecher, zur Bonner Politik gegenüber der Türkei
taz: Herr Voigt, die Bundesregierung will mit der Türkei ein Abkommen schließen, laut dem Todesstrafe und Folter für abgeschobene Kurden ausgeschlossen werden sollen. Ist eine solche Regelung überhaupt denkbar?
Voigt: Ausländische Staatsbürger, die in Deutschland gegen die Gesetze verstoßen, müssen erstens mit Bestrafung und zweitens mit Abschiebung rechnen. Aber diese Abschiebung kann natürlich nicht stattfinden, wenn Gefahr für Leib und Leben und Folter drohen.
Genau das soll mit dem Abkommen ausgeschlossen werden.
Letztlich werden deutsche Gerichte darüber entscheiden, und ich kann mir nicht vorstellen, daß die nur darauf schauen, was in einem solchen Abkommen steht, sondern sie werden würdigen, was den Menschen tatsächlich in der Türkei droht.
Der kurdische Protest in der Bundesrepublik hat seine Ursachen in der Unterdrückung in der Türkei. Die türkische Regierung wird von der Bundesregierung seit Jahr und Tag militärisch unterstützt. Welche Möglichkeiten hätte die Bundesregierung, durch Einstellung dieser Militärhilfe Druck auf die Türkei auszuüben, um eine Verbesserung der Lage der Kurden zu erreichen?
Die militärische Unterstützung, die die Bundesregierung in Zeiten des kalten Kriegs an mehrere Nato-Partner geleistet hat, ist sowieso überholt und nicht mehr zu rechtfertigen. Das gilt für die Türkei genauso wie für Griechenland und Portugal. Ich bin überaus skeptisch, ob ein Ende der Waffenlieferungen bereits ausreicht, die Türkei zu einer Änderung ihres primär innenpolitisch motivierten Vorgehens gegenüber den Kurden zu bewegen. Die Lieferung von Waffen ist außenpolitisch sowieso obsolet, darüber hinaus wäre sie menschenrechtlich nicht zu verantworten. Letzten Endes wird die Politik der Türkei gegenüber den Kurden nur geändert werden, wenn die dortige Regierung und die Bevölkerung selbst erkennen, daß diese Politik in eine Sackgasse führt. Wenn sie erkennen, daß das Kurdenproblem militärisch nicht gelöst werden kann und daß diese Einsätze in Südostanatolien das Land wirtschaftlich in den Abgrund führen. Die völlig inakzeptablen Militäraktionen gegenüber den Kurden haben zu einer Verstärkung des Drucks von außen und zu einer Verschärfung der ökonomischen Krise im Innern geführt. Trotzdem haben bei den Kommunalwahlen die Parteien an Einfluß gewonnen, die für ein besonders hartes Durchgreifen sind. Deshalb muß man nüchtern sehen, daß man durch Druck von außen nicht den Lernprozeß ersetzen kann, der innerhalb des Landes – durch die Einsicht, daß das Kurdenproblem nicht militärisch lösbar ist – Boden gewinnen muß.
Die Bundesregierung muß doch unabhängig davon sicherstellen, daß die von ihr gelieferten Rüstungsgüter nicht in internen Auseinandersetzungen eingesetzt werden.
Dies ist eine Zusage, die die türkische Regierung bereits der Bundesregierung gegeben hat ...
... die nicht eingehalten wird.
Das ist das Dilemma der Bundesregierung, die Waffenlieferungen befürwortet und sich dabei auf diese Zusage verläßt. Wir sind seit Jahren gegen derartige Lieferungen. Interview: Wolfgang Gast
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