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Zwei Männer, ein Paar Schuhe

■ Theaterschiff: „Zwei Verlorene in einer schmutzigen Nacht“

Zwei Männer irgendwo in einem Hotelzimmer. Der eine hat Schuhe, der andere braucht welche. Draußen die Geräusche des Hafens, drinnen sparkige Matratzen. Aggressionen entwickeln sich: „Ich will schlafen“, sagt der eine. „Ich will Mundharmonika spielen“, der andere. Wo endet diese Tristesse? Natürlich in Mord und Totschlag. Doch darauf mußte das Publikum in der achtzigminütigen Premiere des Stückes Zwei Verlorene in einer schmutzigen Nacht von Plinios Marcos am Mittwoch im Theaterschiff am Mäuseturm fast eine Stunde lang warten.

Im mitunter erschöpfenden Vorspiel mühen sich Ulf Goerke (der mit den guten Schuhen) und Thomas Wenke (der mit den alten Latschen) im spartanischen Dialog damit ab, den Weg in die Kriminalität glaubhaft darzustellen. Doch Sätze wie „Ich brauche Schuhe, du hast welche“ wirken wenig mitreißend.

Regisseur Markus Dietze beschränkte sich in seiner Inszenierung aufs Wesentliche, kürzte denText des brasilianischen Autors radikal auf ein Viertel und verzichtete auf Fakten und Namen, um nicht von der Handlung abzulenken. Das Theaterschiff bildet die ideale Kulisse: Vom Hafen nur durch die Holzwände getrennt, haben die Zuschauer unverfälscht das Knarren der Kräne im Ohr, während ab und zu das Boot schwankt. Die Bodenluke eignet sich perfekt für Auf- und Abgang der Schauspieler.

Die letzte Viertelstunde entschädigt dann doch für die Geduld: Plötzlich wird die Handlung schnell, Goerke spielt sich in seinen blankgeputzten Stiefeletten als fieser Möchtegern-Macho mit faschistoiden Zügen auf. Während er sich nun spreizt, kommt Wenke als der Hoffnungs- und Schuhlose schauspielerisch mehr in Wallung. Sie begehen einen Überfall und erbeuten Uhr, Schmuck und Schuhe, doch sie passen dem, der sie braucht, nicht. Und damit reizt Goerke seinen Zimmergenossen bis aufs Blut: Der Duldsame erschießt seinen Peiniger, das Publikum erwacht, und dem Elend ist ein klares Ende gesetzt. wie

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