Sanssouci: Vorschlag
■ George Clinton samt Mischpoke in Huxley's Neuer Welt
Nur zwei Komponistenköpfe ragen aus dem Weltenmeer der HipHop-Samplings und -Scratches empor: James Brown und George Clinton. Dabei ist von Brown allein der Beat hängengeblieben, während Clinton samt Mothership-Connection ein wenig als väterlicher Dissidenzstifter im zeitgenössischen Rap-Diskurs gelten kann. Ein Burroughs für Schwarze. Er kifft, flucht und trägt futuristische Gaultier-meets-Benetton-Hosen; er hat sich blau-weiß-rote Zöpfe zur American Flag ins Haar geflochten und würde dennoch gerne das weiße Haus schwarz anmalen. Der Mann besitzt mehr Attitüde als mancher Five-Percenter, und außerdem hat er den P-Funk erfunden, der in seinem fortgeschrittenen Alter fast schon global suppt. Die französischen Metalfunker „F.F.F“ verehren ihn ebenso aufrichtig wie ihre maghrebinischen Kollegen IAM aus Marseille – oder Prince, der ihm für die letzte LP seine Paisley-Park-Studios zur Verfügung gestellt hat. Mit einem Wort: Clinton kriegt von allen Seiten Respekt. Dabei hatte die Karriere des 1941 in Newark, New Jersey, geborenen „phallic berserker of hope“ (so hieß er um 1968 zu Zeiten von Parliament) in einem Frisörladen begonnen. Die Knaben aus der Nachbarschaft kamen zu ihm, ließen sich die Locken in Ziegelsteinform stutzen und sangen gemeinsam Doowop. Schön war die Zeit. Dann wurde alles sehr schnell psychedelisch, die Menschheit nahm LSD, fuhr Harley Davidson und hörte Hendrix. Irgendwann kam bei Clinton eine rumpelige Rockvariante des Gospel und Soul heraus, die Haare wurden länger, die Hemden enger, die Hosenbeine weiter und überhaupt: P-Funk. Das war der Gogo der Jahre vor Disco, und den spielte Clinton noch immer, selbst als Breakdance die Rollerskates ersetzte und das Mutterschiff nur noch in seiner Phantasie nach Chocolate City flog. Erst seitdem ihn HipHop-Gruppen wie Digital Underground, Naughty By Nature oder Einzelkämpfer à la Ice Cube und Snoop Doggy Dog als Primus der Bewegung auf die Credit-Listen ihrer Plattencover setzen, wird man sich der historischen Größe Clintons auch im weißen Pop bewußt. Für ihr aktuelles Album haben Primal Scream neben den Stones auch George Clinton zerfleddert und vermischt. Das Original klingt trotzdem besser als sein Sample. Harald Fricke
George Clinton spielt ab 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz 5.
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