Ausländerhatz bleibt straffrei

■ Alle rechtsradikalen Angreifer in Magdeburg wieder frei / Beweislage „nicht schlagkräftig“

Magdeburg (taz) – Bei der rechtsradikalen „Ausländerjagd“ von Magdeburg am Vatertag haben Polizei und Staatsanwaltschaft wieder einmal ihre Rechtsblindheit bewiesen. 150 rechtsradikale Skinheads, Hooligans und bürgerliche Mitläufer konnten sich am Donnerstag stundenlang nahezu unbehelligt Straßenschlachten mit AusländerInnen und AsylbewerberInnen liefern. Zuvor hatten rund 50 Rechtsradikale eine Gruppe von fünf schwarzafrikanischen Asylbewerbern und sie verteidigende Türken angegriffen. 20 Schwarzafrikaner hingegen, die ihren Freunden zu Hilfe eilen wollten, wurden nach Informationen der taz von der Polizei rasch entwaffnet. Ein Türke konnte selbst dann noch von Ausländerfeinden zusammengeprügelt werden, als er bereits von der Polizei entwaffnet und zu Boden geworfen war. Von den vorläufig festgenommenen 49 rechtsradikalen Randalierern wurden bis auf zwei alle wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Beweislage sei „nicht schlagkräftig genug“, sagte der ermittelnde Staatsanwalt. Gegen die zwei in U-Haft befindlichen Rechtsradikalen hatten bereits Haftbefehle wegen anderer Vergehen vorgelegen.

Fraglich ist, ob gegen die Randalierer jemals Anklage erhoben wird. „Es ist kaum möglich, einzelnen Tätern bestimmte Straftaten zuzuordnen“, sagte Magdeburgs Polizeipräsident Antonius Stockmann. Einen Video- und Dokumentationstrupp habe die Polizei nicht im Einsatz gehabt, dadurch würden die Ermittlungen wesentlich erschwert. Der Polizeipräsident widersprach Angaben von Augenzeugen, wonach die Polizei erst 20 Minuten nach einem Hilferuf an der „Marietta-Bar“ eintraf. „Wir waren bereits nach fünf Minuten vor Ort“, so Stockmann. Allerdings seien die Beamten erst eingeschritten, nachdem Verstärkung eingetroffen war.

Augenzeugen der verschiedenen Ausschreitungen berichteten unabhängig voneinander immer wieder darüber, daß sich die Polizei gegenüber den Randalierern sehr zurückhaltend verhalten hat. Zahlreiche einzelne Vorfälle sind der Polizei offenbar nicht einmal bekannt. Über Verletzte unter den Ausländern und Asylbewerbern wußte die Polizei bis Freitag nachmittag nichts.

Die antifaschistische Gruppe „Bandiera Rossa“ hat für Montag, 17 Uhr zu einer Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit und rassistische Gewalt aufgerufen. In einer Erklärung von „Bandiera Rossa“ wird weiter die Vermutung geäußert, daß die Angriffe seit mehreren Tagen geplant und durch mehrere ähnliche Aktionen im Vorfeld schon absehbar waren. So habe es in den vergangenen Tagen vermehrt Angriffe Rechtsradikaler auf Punks und andere Linke gegeben.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Christoph Bergner (CDU) hat eine Verschärfung des Haftrechts gefordert. „Nach den abscheulichen Übergriffen stellt sich die Frage, ob das bisherige Haftrecht ausreichend ist“, sagte er. Der Chef des Ordnungsamtes der Stadt, Peter Thomaser, sagte der taz, die Übergriffe seien eine Randerscheinung, die man nicht hochstilisieren solle. „Ich will nicht das schlimme Wort ,normal‘ verwenden, aber das, was passiert ist, ist nicht außergewöhnlich.“ Eberhard Löblich Seite 4