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Schiitenführer nach Israel entführt

■ Gekidnappter Libanese soll Auskunft über das Schicksal des seit 1986 vermißten israelischen Piloten Ron Arad geben

Tel Aviv (taz) – Der nächtliche Spuk dauerte nur wenige Minuten. Knatternd landeten in der Nähe des libanesischen Dorfes Kasarnaba zwei Hubschrauber, aus denen Bewaffnete sprangen. Eilig stürmten sie in ein Haus. Als sie wieder herauskamen, schleppten sie einen Mann mit, den sie in einen der Hubschrauber bugsierten. Dann verschwanden sie ebenso, wie sie gekommen waren.

Die nahe der syrischen Grenze in der Bekaa-Ebene gelegene Ortschaft hatte Besuch aus Israel bekommen. In einer Nacht-und-Nebelaktion entführte in den frühen Morgenstunden des Samstags ein Spezialkommando den Schiitenführer Mustafa Dirani (46). Anschließend erklärte Israels Ministerpräsident Jitzhak Rabin das Kidnapping: Der Libanese solle Auskunft über das Schicksal von Ron Arad geben. Der israelische Kampfpilot war im Oktober 1986 über dem Libanon abgeschossen worden. Zwar rettete ihm der Schleudersitz das Leben, sein weiteres Schicksal ist jedoch ungewiß.

Dirani ist Chef einer mit der Hisbollah verbündeten Gruppe namens „Widerstand der Gläubigen“. Den vermißten israelischen Offizier soll er zum letzten Mal vor sechs Jahren gesehen haben. Damals stand Dirani dem militärischen Arm der „Amal“ vor, jener Schiitenmiliz, in deren Hände Arad nach Ansicht israelischer Geheimdienstler fiel. Die Organisation soll ihn für 300.000 US-Dollar an die pro-iranischen „Revolutionären Garden“ verkauft haben. Mit Diranis Hilfe und durch in seinem Haus beschlagnahmte Dokumente wollen die Israelis beweisen, daß der Iran für Arads weiteres Schicksal verantwortlich ist. Während andere im Libanon vermißte Israelis als tot gelten, gehen israelische Geheimdienstler davon aus, daß Arad noch lebt. Zu dieser Erkenntnis verhalfen ihnen nicht zuletzt Informationen der PLO.

Zusätzlich zu Angaben zum Verbleib des Piloten wollen israelische Militärs aus Diranis Mund aktuelle Details über im Süden Libanons aktive Guerillaorganisationen erfahren. Deren Widerstand bereitet den israelischen Besatzungstruppen und der mit ihnen verbündeten „Südlibanesischen Armee“ (SLA) weiter Probleme.

Mit Entführungs- und Mordoperationen im Libanon haben israelische Militärs reichhaltige Erfahrungen. Diranis Verschleppung wurde auf ähnliche Weise durchgeführt, wie die von Abdel Karim Obeid. Der im Juli 1989 entführte Schiitenführer sitzt seither in einem israelischen Gefängnis. Im Februar 1992 wurde der Hisbollah- Befehlshaber Scheich Abbas Mussawi zusammen mit Mitgliedern seiner Familie von israelischen Hubschraubern aus getötet. Bereits im Dezember 1968 zerstörten israelische Sonderkommandos auf dem Flughafen von Beirut 13 Verkehrsflugzeuge. Die Aktion galt als „Vergeltung“ für einen palästinensischen Angriff auf ein israelisches Passagierflugzeug in Athen. Im April 1973 brachen Mitglieder einer israelischen Elitetruppe in Beirut in mehrere Wohnungen ein und ermordeten drei führende Palästinenser. An dem Kommando war auch der heutige Stabschef der israelischen Armee, Ehud Barak, beteiligt. – Statt einer Generalsuniform trug er damals zur Tarnung Frauenkleider. Im Januar 1979 verwendeten israelische Geheimdienstler ein mit Sprengstoff vollgestopftes Auto, um den damaligen Chef des Sicherheitsdienstes der Fatah, Ali Hassan Salameh, und vier seiner Leibwächter im Ostteil Beiruts umzubringen. Und bereits im Dezember 1988 entführten israelische Sondereinheiten drei andere Führungsmitglieder von Diranis „Widerstand der Gläubigen“. Amos Wollin

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