piwik no script img

Skorpion-Gift gegen Raupen

Ein gentechnisch hergestellter Virus soll auf einem Feld bei Oxford getestet werden / Gegner halten Sicherheitsmaßnahmen für unzureichend  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Wie vertreibt man Raupen aus einem Kohlfeld? Mit Viren, so hofft das Virologische Institut der Universität Oxford. Die britische Regierung hat einen Feldversuch mit einem gentechnisch hergestellten Pestizid auf Virus-Basis im Eilverfahren genehmigt, obwohl führende Wissenschaftler vor den möglichen Folgen gewarnt haben. Der Virus wurde im Labor mit dem Gift von Skorpionen „geladen“ und soll nun auf einem 240 Quadratmeter großen Feld, das der Universität gehört, ausprobiert werden. In dieser Woche werden dort junge Kohlköpfe angepflanzt, danach setzen die Wissenschaftler Raupen aus, die sich jedoch nicht allzu lange an dem Kohl erfreuen dürfen: Innerhalb eines Monats wird das Feld mit dem gentechnisch manipulierten Virus besprüht. Wenn alles so funktioniert, wie sich das David Bishop, der Leiter des Experiments, vorstellt, dann sind die Raupen innerhalb von vierzehn Tagen tot. Um zu verhindern, daß der Labor-Virus entweicht, hat man Nylon-Netze über das Feld gespannt. Außerdem ist das Gelände, das in 360 Sektionen eingeteilt ist, durch einen Zaun gesichert, damit keine „großen Säugetiere“ eindringen können – damit sind vor allem wohl militante UmweltschützerInnen gemeint. Das Forschungsteam wurde angewiesen, keine Hinweistafeln an dem Gelände anzubringen, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Steve Jones, Professor für Genetik am University College London, hält die Sicherheitsmaßnahmen nicht für ausreichend. Er sagt, daß die dünnen Nylonnetze „für Vögel oder Vandalen kein Hindernis“ seien. Dadurch könnten der Virus oder die infizierten Raupen entkommen. Der künstliche Virus könnte sich dann mit „wilden“ Viren verbinden und nicht mehr nur auf Raupen, sondern auch auf andere Insekten wirken. Die Folgen wären unabsehbar: Das sensible Naturschutzgebiet Wytham Woods liegt nicht mal einen Kilometer vom Testgelände entfernt. Bishop behauptet, daß die Gefahr für andere Insekten verschwindend gering sei. In einem Papier heißt es dagegen, daß der Test gerade darauf abziele, die „Wirkung des genetisch veränderten Virus auf andere Wirtstiere und sein langfristiges Überleben in der Umwelt“ zu untersuchen. Bishop sagt, das Experiment diene der zielgerichteten Entwicklung von Pestiziden, die umweltverträglicher seien als die heutzutage angewendeten Chemiekalien. Er forsche bereits seit acht Jahren auf diesem Gebiet, sagt er, seine Gegner hätten das erst sehr spät bemerkt.

Zu den Gegnern gehört auch George McGavin, Dozent am Trinity College Oxford. Er meint, daß Bishops Team offenbar keine Ahnung habe, was mit dem Labor-Virus passiere, wenn er erst mal freigelassen sei. „Ein Virus macht sehr schnelle evolutionäre Veränderungen durch. Gerade deshalb ist er ein so erfolgreicher Organismus. Und der Virus Autographa Californica, der hier benutzt wird, hat ein überaus breites Wirtsspektrum.“ Er kann mehr als 40 verschiedene Gattungen von Raupen infizieren, die zu elf Familien gehören, hieß es in der Januarausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences.

Bishop gibt zu, daß Risiken nie völlig auszuschalten sind. Er hält es jedoch für nahezu ausgeschlossen, daß der Virus sich verbreitet, indem Vögel die infizierten Raupen aus dem Versuchsfeld verschleppen. Das habe sich in jahrelangen Laborversuchen gezeigt. „Jetzt wollen wir endlich den Feldversuch starten“, sagt er. McGavin sieht das anders. „Zwar gibt es in diesem Forschungsbereich spektakuläre Erfolge, doch in der Literatur werden auch zahlreiche Fehlversuche und Überraschungen erwähnt, wo ein Biokontrollorganismus eben nicht das tat, was man von ihm erwartete – allen Indizien und Labor-Versuchen zum Trotz.“ Er rät deshalb zur Vorsicht: „Ich glaube, es gibt viel zu viele Zweifel und offene Fragen, als daß der Feldversuch unbeanstandet bleiben darf.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen