piwik no script img

„Da muß jemand dazwischenhauen...“

■ Interview mit dem Viertel-Ortsamtsleiter Hucky Heck zu den Gründen seines überraschenden Rücktritts

taz: Ist Dein Entschluß, als Ortsamtsleiter zurückzutreten, wirklich so spontan gefallen?

Hucky Heck: Ich bin nicht der Typ, der sich in den Sessel setzt und drei Stunden nachdenkt. Ich fühle etwas und lasse es sich entwickeln. Und irgendwann kommt das aus dieser seelischen Ebene ins Bewußtsein. Und dann ist es plötzlich klar.

Das war wann?

Das war Montag nacht um 0.04 Uhr. Ich habe gerade auf die Uhr geguckt und gedacht: Warum machst Du das eigentlich? Und da war es plötzlich klar.

Politiker suchen sich doch eigentlich immer auch einen Anlaß für den Rücktritt.

Das stimmt. Aber mein Rücktritt hat überhaupt nichts mit politischer Taktik zu tun. Es ist wirklich einfach das Faß übergelaufen.

Was hat das Faß denn über den Lauf der Zeit so voll gemacht?

Daß sich im Gegensatz dazu, was ich erwartet hatte, die Situation der Beiräte nicht etwa kontinuierlich verbessert, sondern immer weiter verschlechtert hat.

Als 1991 die Direktwahl der Beiräte kam, hatte ich noch einmal geglaubt, daß Beiräte nun tatsächlich vor Ort auch Entscheidungen treffen und umsetzen können. Daß nun aber das krasse Gegenteil eingetreten ist, ist erschreckend. Es hat zwei Jahre gedauert, bis das in aller Konsequenz deutlich geworden ist, aber heute ist es so.

Woran liegt das?

Früher hatten wir Innensenatoren, für die waren Beiräte und Ortsämter nachgeordnete Verwaltungseinheiten, für die sie richtig zuständig waren. Und jetzt haben wir mit van Nispen einen Innensenator, bei dem alle das Gefühl haben: Die Beiräte sind für ihn ein völlig uninteressantes Feld. Und auch die Ämter, die mit der Bevölkerung zu tun haben, haben das Gefühl, daß der Innensenator seinen Schwerpunkt nur bei der Polizei hat.

Ohne den Innensenator ist der Ortsamtsleiter aufgeschmissen?

Ja, vor allem, wenn sich in der Verwaltung erst einmal herumgesprochen hat, daß es sowieso keinen Druck mehr von oben gibt, wenn man die Beiratsebene einfach ignoriert. Ich schreibe zum Beispiel einen Brief ans Gartenbauamt mit der Bitte, dies oder jenes zu tun, und dann sagen die: Wir haben ja soviel Arbeit, und wir sollen privatisiert werden, und wir haben nicht genug Ressourcen, und wir haben nicht genug Personal, und jetzt kommen auch noch die Beiräte – das kommt dann auf den großen Stapel. Wenn sie fürchten müßten, daß sie für ihre – in Anführungsstrichen – Arbeitsverweigerung richtig Druck aus dem Innenressort kriegen, dann würde es anders laufen.

Und im politischen Raum ist es so, daß die Ampel dermaßen mit sich selber beschäftigt ist, daß sie alles, was von außen kommt, als persönlichen Angriff empfindet.

Zu Zeiten der absoluten SPD-Mehrheit war die Arbeit als Ortsamtsleiter einfacher?

Ja. Da gab es eine klare Struktur, und in der hatten Beiräte ihre Rolle. Die SPD hat damals bei Haushaltsberatungen immer die Ortsamtsleiter und die Beiratssprecher zu den Vorberatungen ins Parlament geholt. Die haben richtig noch ihre Sachen untergebracht. Bei den Grünen hat dagegen bei Haushaltsberatungen nie jemand nach unten gefragt.

Andererseits ist doch jetzt gerade die Stunde Deines großen Erfolgs: Im Oster- und Steintor stehen tatsächlich die Bagger und bauen an der so lange erkämpften Verkehrsberuhigung.

Deshalb kann ich ja jetzt auch zurücktreten. Hätten die noch nicht angefangen, wäre es mir sicher schwerer gefallen. Aber ich denke, das war wirklich das letzte, was für lange Zeit durchsetzbar gewesen ist.

Du hast bezogen auf die Verwaltung von Arbeitsverweigerung gesprochen. Ist die Verwaltung wirklich so schlecht wie ihr Ruf?

Es gibt da unheimlich gute Leute, und es gibt ganz viel innere Kündigungen. Und es gibt in dieser Stadt aufgrund fehlender politischer Führung ein Spiel zwischen den einzelnen Ämtern, das darin besteht, sich möglichst oft gegenseitig zu blockieren und zu ärgern. Man kann das ja bei unseren großen Ministerialverwaltungen in Bremen beliebig hin- und herschieben. Da müßte jemand an einem bestimmten Punkt einfach dazwischenhauen und sagen: So, ich habe mir jetzt alles angehört, jetzt entscheide ich, so wird es gemacht.

Und das findet in Bremen nicht statt?

Zu wenig. Ich weiß nicht, wer in Bremen noch das Gefühl hat, im positiven Sinn des Wortes regiert zu werden.

Ist die Mittelknappheit dafür auch ein Grund?

Die Mittelknappheit müßte doch eigentlich eher dazu führen, daß es einfacher wird, weil ganze Verwaltungseinheiten sowieso nichts mehr zu tun haben. Wenn kein Geld da ist, damit irgendwas geplant werden kann, sitzen die doch da und drehen Däumchen. Aber da das nicht sein darf, beschäftigen sie sich immer mehr untereinander, schreiben Briefe, malen Pläne, stimmen die ab, geben sie zurück und dann kommen sie nochmal. Das ist die potemkinsche Verwaltung.

Du hast von einer weitverbreiteten inneren Kündigung gesprochen. Gibt es das das auch bei Deinen Kollegen, den Ortsamtsleitern?

Ja, das ist durchaus ein sehr verbreitetes Phänomen. Da gibt es einen, der hat seinen Job schon angeboten. Ein anderer kommt zu keiner Ortsamtsleiter-Dienstbesprechung mehr.

Schlägt das nicht auch auf die Motivation der Beiräte durch?

Ja, da ist der Frust unendlich groß. Und ich würde mir wünschen, daß mein Rücktritt vielleicht dort ein Anstoß sein könnte, darüber nachzudenken, ob man nicht auch eine Konsequenz zieht.

Welche denn zum Beispiel?

In Gröpelingen sind acht Leute aus der SPD ausgetreten und haben eine eigene Fraktion aufgemacht. Die müßten soviel Druck ausüben, daß die Politik nicht mehr daran vorbeikommt, Kompetenzen und Verantwortung nach unten zu verlagern. Und wenn den Parteien an der Basis weiter die Leute weglaufen, dann werden sie reagieren müssen.

Und was machst Du selber jetzt im Leben?

Ich weiß es wirklich noch nicht.

Aber es gibt ein Interessengebiet, das ich behalten habe und in dem ich mich auch kompetent und sicher fühle: das ist die Stadtentwicklung. Und wenn man vielleicht das Güterbahnhofsgelände an eine private Entwicklungsgesellschaft geben will, dann ist das eine Aufgabe, zu der ich Lust hätte. Ich kenne den Stadtteil, ich kenne die Verwaltungsstrukturen, ich glaube, daß ich städtebaulich etwas zu bieten habe...

Das klingt fast wie eine Bewerbung. Und was machst Du, bis es soweit ist?

Ich kann mir auch vorstellen, bei meinem Bruder in der Kneipe erstmal eine Weile Tresen zu machen, weil ich mal wieder etwas mit den Händen tun muß.

Fragen: Dirk Asendorpf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen