: Kriegsgegner als Geschäftspartner
Israel und Jordanien vereinbaren gemeinsame Wirtschaftsprojekte in beiden Staaten / US-Militärs planen eine Straße von Jordanien über Israel nach Ägypten: die „Camp David Road“ ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Israel und Jordanien wollen mehrere gemeinsame Wirtschaftsprojekte in Angriff nehmen. Die Unternehmungen der beiden Staaten, die sich offiziell noch immer im Kriegszustand miteinander befinden, sollen auf jordanischem und israelischem Gebiet gegründet werden. Entsprechende Vereinbarungen wurden Dienstag am Ende zweitägiger Gespräche in Washington getroffen. Die genauen Projekte sollen im Juli ausgehandelt werden. Unter der Oberaufsicht von Bill Clintons Nahostbeauftragtem Dennis Ross hatten sich Delegationen beider Staaten zu bilateralen israelisch-jordanischen Verhandlungen getroffen. Der israelische Chefdelegierte Elijakim Rubinstein hob hervor, daß es erstmalig um Projekte auf dem Boden beider Staaten gehe: „Darin liegt der Kern des Friedens“, sagte er. Wie die Projekte aussehen sollen, erläuterte er jedoch nicht. Bilaterale Verhandlungsrunden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn finden statt, seit vor knapp drei Jahren in Madrid der Nahost-Friedensprozeß begann. Sie waren jedoch eingefroren worden, nachdem im Februar dieses Jahres ein israelischer Siedler in einer Moschee in Hebron ein Massaker angerichtet hatte. Seit Israel und die PLO im Mai in Kairo ein Abkommen unterzeichneten, drängte die jordanische Führung darauf, direkte Wirtschaftsgespräche mit Israel aufzunehmen. In Amman fühlte man sich von der PLO übergangen und fürchtete, ins Hintertreffen zu gelangen.
Die zwischen der PLO und Israel in Kairo getroffenen Wirtschaftsvereinbarungen nehmen keine Rücksicht auf jordanische Interessen. Händlern aus dem Haschemitischen Königreich lassen sie nur sehr beschränkten Zugang zu den palästinensischen Märkten westlich des Jordans. Die Importe der Palästinenser sind laut dem Vertrag streng kontingentiert: Pro Jahr dürfen aus Ägypten oder Jordanien 150.000 Tonnen Zement, 24.000 Tonnen Eisen, 6.000 Tonnen Kunstdünger, 5.600 Tonnen Speiseöl, 3.000 Spül- oder Waschmaschinen, 4.000 Back- oder Heizöfen, 3.000 Fernsehgeräte, 1.000 Klimaanlagen und 1.000 Kühlschränke eingeführt werden. Die israelische Regierung erklärte sich jedoch bereit, über eine zukünftige Erhöhung der Einfuhrquoten zu verhandeln. Grundsätzlich müssen Veränderungen der Importraten für nicht aus Israel eingeführte Produkte von israelischen Institutionen bewilligt werden.
Inzwischen wurde bekannt, daß sich Jordanier und Palästinenser über ein eigenes Wirtschaftsabkommen einig geworden sind. Das noch nicht unterzeichnete Papier räumt den Jordaniern ein Vorrecht in Bank- und Währungsfragen ein. Die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Israel, Jordanien und den Palästinensern in Finanz-, Handels- und Bankangelegenheiten soll noch in trilateralen Verhandlungen festgelegt werden.
Am Rande der jordanisch-israelischen Gespräche wurden in Washington Pläne publiziert, die den Nahen Osten weiter verändern werden. Im Juli soll eine Gruppe von US-Militärs die Region bereisen. Ihre Aufgabe ist es, eine Straße zu planen, die Jordanien über Israel mit Ägypten verbindet: die „Camp David Road“.
Nach Angaben von US-Diplomaten soll die syrische Führung dem jordanischen König Hussein geraten haben, die Verhandlungen mit Israel wieder aufzunehmen. Syriens Staatschef Hafis Al-Assad hoffe, daß eine Normalisierung des jordanisch-israelischen Verhältnisses den Weg zu syrisch-israelischen Verhandlungen ebnen werde. In jordanischen Parlamentskreisen wurde am Dienstag gemunkelt, Israel und Syrien seien sich „prinzipiell“ über einen israelischen Abzug von den besetzten Golanhöhen einig. In Jerusalem hieß es dagegen, im US-Außenministerium werde an einem neuen Vorschlag für einen syrisch-israelischen Kompromiß gefeilt. Anlaß zu dieser Planung sei Frust über die Stagnation der Verhandlungen zwischen beiden Staaten. Um die Gespräche wieder in Gang zu bringen, solle US-Außenminister Warren Christopher Ende des Monats erneut nach Israel und Syrien reisen. Angeblich geht der US-Plan von der Voraussetzung aus, daß sich die israelischen Truppen aus dem gesamten Golan zurückziehen. Derzeit werde sowohl im US-Außenministerium als auch im Pentagon an einem entsprechenden Stufenplan gebastelt.
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