Durchs Dröhnland: In Spanien blüht mehr als Julio Iglesias
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und unwichtigsten Konzerte der kommenden Woche
Während Jello Biafra momentan mit Mojo Nixon die Grenzen und Regeln stupenden Country- Rocks auslotet, tummeln sich auf seinem Label Alternative Tentacles mehr und mehr düsentriebsche Experimentalfanatiker. Diese haben, mal wahnhaft, mal witzig, von glaubwürdiger, korrekter bis derockisierender Musik alles im Programm, was nicht in den herrschenden amerikanischen Musikkanon paßt. Auch Grotus machen da keine Ausnahme: Sie schwirrten eine Zeitlang mit Samplern und Keyboards über den Ruinen trauriger Industrielandschaften, ergänzten diese Ausstattung später noch durch rockistische Elemente wie Drums und zwei Bässe, um schließlich im Sounddreieck von Cop Shoot Cop, den Neubauten und Neurosis ihre Geraden zu ziehen. Grotus setzen einerseits auf tief erschütternde, schwer wummernde Soundeffekte, andererseits auf weltverbessernde Gedankenstüpser per cineastischer Schockmomente, so daß neben ihrer schweren Schaffe auf der Bühne immer auch ein paar Filmchen mit Schlachthausszenen, Atompilzen und ähnlich aufrüttelnden Bildern mitlaufen, ganz dem Titel ihres jüngsten Albums entsprechend: „Slow-Motion-Apokalypse“. Ein Szenario allerdings, das schon anno 87 bei den Butthole Surfers nicht irritierte.
Heute, 22 Uhr, im EX, Gneisenaustraße 1, Kreuzberg.
Ramstein? Da war doch mal was? Das war doch das Städtchen, in dem einige Leute ihr ungesundes und zweifelhaftes Interesse an militärischen Flugschauen mit dem Leben bezahlten. Schreibt sich aber nur mit einem „m“, und war auch für die Ostberliner All- Star-Band Rammstein nicht der Stein des namentlichen Anstoßes. Die dachten sich dabei nicht allzuviel, suchten höchstens eine gute Metapher für ihre Musik, die sie ansonsten sehr vage als „Tanz- Metal“ beschreiben. Schlauer wird man, wenn man sich die Besetzung von Rammstein anschaut. Die besteht ganz hochkarätig zur Hälfte aus drei Mitgliedern der 1993 aufgelösten Feeling B, während die anderen Musiker von Bands wie Die Firma, den Inchtabokatables und aus Brasilien dazukamen. Es klingen da etwas die Töne der „ex-legendären Punkszene Ost“ in den Ohren, und abzuwarten bleibt, ob das jetzt lebendig knusprig und grenzüberschreitend wird oder wieder nur eins, zwei, drei plus obligater Beschwörung der guten alten Zeit.
Heute, 21 Uhr, Lindenpark in Potsdam.
Es gibt ja immer noch musikalische Richtungen, die jenseits der großen medialen Popüberwachungsmachine stattfinden. Ska gehört trotz der Erfolge von Madness und den Specials in den frühen Achtzigern dazu, wurde seitdem nicht mehr großartig mit schlierigen Pop-Pflänzchen gekreuzt und fristet nun sein relativ unbeachtetes, independent-mäßiges, nichtsdestotrotz gern besuchtes Dasein. Was vielleicht auch daran liegt, daß dieser Sound sich für ungeübte Ohren immer gleich anhört und vor jeder Überraschung feit. So gilt auch für Mother's Pride: Keine Party ohne Skaty. Austoben ist angesagt, offbeatig geht es holterdipolter und blasdideldum nach vorne. In diesem Fall mit Stil und Eleganz, dann Mother's Pride haben den guten Geschmack zum Prinzip erhoben und achten auch das distanziert-sixties-modmäßige Outfit, fern ab von allen schwitzig- proletarischen Anwandlungen.
Am 18.6., 21 Uhr, im Franz- Klub, Schönhauser Allee, Prenzlauer Berg.
Ganz politically correct traten vor zwei Jahren die Goats auf den HipHop-Plan. Sie machten Aussagen wie „Don't vote for fascists such as Clinton, Bush, Reagan...“, schossen Breitseiten gegen Noriega, North und andere Konsorten, gaben Noam Chomasky Credits und waren schlau auf der Suche nach Gegenöffentlichkeit. Trotzdem konnte es die Band aus Philadelphia nicht vermeiden, in den bedeutungslosen, alternativen Rap-Garten, den Hinterhof des „wahren“ HipHop, abgeschoben zu werden. Und das, weil die Goats Rap eben einfach catchy finden und sich, wenn die Musik zur Zeit eine andere wäre, auch Punkrock als ihren Sound vorstellen könnten. Live zeigten sie das ganz offensiv, verzichteten auf DJ und Samplemachine und zogen eine große, besonders die Rockfreunde begeisternde Show ab, die aber, zur allgemeinen Genugtuung, mit einem großen Freestyle-Konzert endete. Mittlerweile als Warm-Up für die Bad Brains oder Headliner für die Knüppelbands wie Dog Eat Dog verheizt, wurden sie anläßlich ihrer in diesen Tagen erscheinenden neuen Platte „No goats, no glory“ kurzfristig noch vor die musikalisch etwas überschätzten fabulos Beastie Boys gequetscht.
Am 19.6., 20 Uhr, im Metropol, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.
Daß in Spanien nicht nur Julio Iglesias, Heros Del Silenzio und ein paar welke Punk-Rosen blühen – eine öd-traurige Musikszene, wie sie im heimischen Berlin ja nur allzugut bekannt ist – wollen Rock'n'Bordes aus Valencia beweisen. Rockabilly heißt bei ihnen die gutgelaunte Devise. Smells like fifties, Peter Kraus und Bill Haley, aber auch nach „British Rock'n'Roll“ und sogenanntem Neo-Billy der Achtziger, wobei die großen Einflußgeber der notorischen Eigenständigkeit wegen versagt bleiben. Mit jetzt schon fünf Plattenveröffentlichungen in ihrem Heimatland, scheint die seit 1987 bestehende Band zumindest einiges an Ausdauer und Routine zu besitzen, so daß sie Anhängern des Reverend Horton Heat zum Aufwärmen einfach mal heiß empfohlen sei.
Am 21.6., 21 Uhr, im Huxley's Jr., Hasenheide, Neukölln.
Alle kennen es, alle trällern oder pfeifen es, alle finden es doof: „Mädchen“ von Lucilectric, der dauerbrennende Sommerhit aus Berlin mit den ach so blöden, frauenfeindlichen und so gar nicht klugen Zeilen. Was man nach den ersten Radioeinsätzen noch als superkommerzielle Schwesternband der Lemonbabies fehldeuten konnte, sorry, entpuppt sich als ein Duo aus Mann und Frau, das Anette Humpe aus den Hinterzimmern von Studiomusikern und Background-SängerInnen aufstöberte und, einigermaßen designt und aufbereitet, in die Klauen des Business warf. Das Album zum Hit versprüht einen Haufen belangloser, etwas poltriger Pop-Blasen, vermittelt aber, bei aller Perfektion, auch eine kleine Idee von Homerecording, klingt ein bißchen nach Beck auf berlinerisch, und tut niemandem richtig weh. Sicher kein Grund für die Geschmackspolizei, gleich den moralinsauren Zeigefinger zu erheben. Und so 'ne Zeile wie „vierundzwanzig lange Stunden gar nichts tun, ist genau die richtige Zeit, um auszuruhn“ will auch erstmal geschrieben sein. Alles halb so wild, und gute Scheiße läßt sich sowieso immer wieder von schlechter Scheiße unterscheiden. Amen.
Am 22.6., 20.30 Uhr, im Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg Gerrit Bartels
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