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Wer liebt, führt keine Kriege

■ Die Polizei und die Liebe: Fünfte Love-Parade findet doch als Demo statt / Veranstalter rechnen mit 100.000 Techno-Freaks aus Europa, Japan und Australien

Jetzt herrscht wieder „Friede, Freude, Eierkuchen“ bei Dr. Motte. Der DJ, der seit 1989 am ersten Juli-Wochenende unter diesem Motto die Love-Parade auf dem Ku'damm veranstaltet und sowohl das Motto als auch das Herzchenlogo als Warenzeichen weltweit geschützt hat, war letzte Woche „schockiert“. Nachdem die Teilnehmerzahl von 150 bei der ersten Parade auf fast 30.000 Techno- und House-Musikfans im letzten Jahr angestiegen war, wollte der Polizeipräsident den diesjährigen Aufzug von „friedlich miteinander tanzenden Menschen“ nicht als Demonstration genehmigen. Begründung: Das Eintreten für Völkerverständigung und Frieden werde nur vorgeschoben, um den Eindruck eines Aufzugs im versammlungsrechtlichen Sinne zu erwecken.

Die Veranstalter legten Widerspruch ein, und mit Hilfe der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten und des Jugendsenators Thomas Krüger (SPD) prüfte das Referat „Ordnungsbehördlicher Staatsschutz“ erneut den Antrag. Rauschebart Krüger hatte sich nach einem Gespräch mit den Veranstaltern mit dem Polizeipräsidenten in Verbindung gesetzt und sich für die Love-Parade als „Symbol für den Brückenschlag zwischen Ost und West und ein einzigartiges Zusammenkommen der Jugend dieser Welt“ stark gemacht. Ohne weitere Begründung wurde die Love-Parade nach der nochmaligen Überprüfung dann am Wochenende doch als Demonstration genehmigt.

DJ Motte ist happy. Er rechnet dieses Jahr mit 100.000 Teilnehmern aus Dänemark, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Australien und Japan, die bei dem internationalen Techno-Street-Happening zu Klängen der „seligmachenden Musik“ von umfunktionierten Lastwagenanhängern herunter den Ku'damm zum Beben bringen. Die Tatsache, daß keine osteuropäischen Länder vertreten sind, erklärt er sich damit, daß der liebesübergreifende Gedanke noch nicht bis dahin vorgedrungen sei. Außerdem gingen sie nicht mit der Love-Parade hausieren. DJ Motte gab zwar zu, daß die erste Love-Parade in der Tat ein „Trick“ war, um die Techno- und House-Musik auf die Straße zu bringen. Mittlerweile habe es aber Veränderungen gegeben. Die „allumfassende wahre Liebe“ stehe für „zwischenmenschliche Verständigung, insbesondere vor dem Hintergrund der sich stetig steigernden kriegerischen Auseinandersetzungen auf unserer Welt“, „die gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln – weltweit!“, für Frieden und Abrüstung. Mit der Musik als Völkerverständigung und dem „Ideal der gelebten Liebe“, ist DJ Motte überzeugt, könnten nicht nur Kriege verhindert werden, sondern auch, daß jemand zum Nazi wird. „Wir wollen uns nicht ganz konkret artikulieren“, begründet er die allgemeinen „Liebeserklärungen“, „wir sind ganzheitlich.“

Nicht nur der Ku'damm wird am 2. Juli zwischen Wittenberg- und Adenauer-Platz zur trendy Rave- Szene werden. Vom 1. bis 3. Juli können die Glitter-Bodies auch auf vier großen Partys in Ekstase geraten. Dutzende von DJ's aus London, Berlin, Paris, Darmstadt, Antwerpen und Erfurt wollen im „E-Werk“, „Huxley's Neuer Welt“, im „Tresor“ und in der „Halle“ in Weißensee „für ein positives Leben auf unserer Erde“ anturnen. Barbara Bollwahn

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