: Rußland unterstreicht seine Sonderrolle
Rußlands Außenminister unterzeichnet nicht nur die „Nato-Partnerschaft für den Frieden“, sondern im Unterschied zu den anderen Vertragspartnern auch eine Zusatzvereinbarung ■ Aus Brüssel Alois Berger
Am Ende waren nur noch die Interpretationen verschieden: Aus russischer Sicht hat Außenminister Andrej Kosyrew gestern bei der Nato in Brüssel zusammen mit dem „Partnerschaft-für-den-Frieden-Vertrag“ (PfP) eine Zusatzvereinbarung unterschrieben, die Moskaus Sonderrolle als Atommacht hervorhebt. Aus Sicht der Nato hat Kosyrew lediglich den PfP-Vertrag unterzeichnet, dem ein rechtlich nicht bindendes „Gesprächsprotokoll“ angehängt ist. Doch die unterschiedliche Interpretation war gewollt, sie sollte Rußland die Möglichkeit geben, dem Vertrag zuzustimmen, ohne zu Hause das Gesicht zu verlieren.
Das PfP-Abkommen ist ein Rahmenvertrag über militärische Zusammenarbeit, wie ihn die Nato allen ehemaligen Ostblockstaaten sowie den neutralen Staaten in Europa angeboten hat. Für Boris Jelzin bietet das Nato-Abkommen die Chance, die jahrzehntelange Isolation endgültig zu durchbrechen und Rußland näher an den Westen heranzuführen.
Allerdings wollte Jelzin schon aus innenpolitischen Gründen vermeiden, daß Rußland vom Westen wie ein Bittsteller behandelt wird. Auf keinen Fall sollte Rußland deshalb gegenüber der Nato auf die gleiche Stufe gesetzt werden wie die kleineren Nachbarländer. Außerdem forderte Jelzin, die Partnerschaft für den Frieden unter das Dach der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) zu stellen, wo Rußland gleichberechtigt neben den Nato- Staaten steht.
Die 16 Außenminister des Nordatlantikpaktes lehnten ab. Kosyrew hatte denselben Partnerschaftsvertrag zu unterschreiben wie die anderen ehemaligen Ostblockstaaten. Mit dem Gesprächsprotokoll räumten sie Rußland allenfalls die Rolle eines besseren Juniorpartners ein. Im wesentlichen wird Rußland ein über den PfP-Vertrag hinausgehender Informationsaustausch in wichtigen Sicherheitsfragen wie dem Bosnien-Konflikt zugesagt, sowie politische Konsultationen im Fall von Krisen und Zusammenarbeit bei der Kontrolle der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Vor allem im Bosnien-Konflikt fühlte sich Rußland bisher immer wieder vom Westen übergangen. Entgegen den russischen Vorstellungen bleiben diese Zusatzkontakte informell, ohne rechtliche Bindung für die Nato.
Rußlands Forderung nach einer Art Vetorecht gegen einen eventuellen Nato-Beitritt eines früheren Verbündeten wurde ebenso zurückgewiesen wie der Moskauer Wunsch, die Nato möge sich bei der UNO dafür einsetzen, daß russische Truppen beim Einsatz in unruhigen Nachbarländern unter bestimmten Voraussetzungen Blauhelm-Status bekommen. Gegen diese beiden Anliegen hatten vor allem die ehemaligen Warschauer- Pakt-Staaten protestiert, die auch wiederholt und sehr deutlich darauf hinwiesen, daß ein Sonderabkommen zwischen Rußland und der Nato ihre Sicherheitsinteressen verletzen könne.
Nach der Unterschrift unter den PfP-Vertrag werden Rußland und die Nato beginnen, in Arbeitsgruppen die konkrete militärische Zusammenarbeit auszuhandeln. Bisher haben 20 Länder von Albanien bis Ukraine solche Partnerschaftsabkommen mit der Nato unterschrieben, darunter auch Schweden und Finnland.
Mit den PfP-Verträgen haben die Mitglieder des westlichen Bündnisses auf das starke Drängen einiger mittel- und osteuropäischen Staaten auf Zutritt zum Club reagiert. Sie sind der Versuch der Nato, diese Länder im Wartezimmer aufzuhalten, und gleichzeitig eine neue Sicherheitsstruktur aufzubauen. Wie die militärische Zusammenarbeit im Einzelnen aussehen soll, das wird von Land zu Land unterschiedlich ausgehandelt und reicht von gemeinsamen Manövern und der Zusicherung, sich in Krisenfällen gegenseitig zu informieren, bis zur Vorbereitung eines Nato-Beitrittes, wie er zum Beispiel Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik in Aussicht gestellt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen