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Abweichler für Gerhard Schröder

Bei Neuwahl zum niedersächsischen Ministerpräsidenten erhielt Gerhard Schröder mehr Stimmen als erwartet / Rätselraten über die Schröder-Fans aus den Oppositionsfraktionen  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – So hatte es sich der alte und neue niedersächsische Ministerpräsident gewünscht: Von der Spannung erlöst, klatscht, jubelt und tobt die SPD- Fraktion. Den Strauß roter Rosen trägt ein triumphierender Gerhard Schröder, gefolgt vom Troß der Kameras, gleich nach hinten zu seiner Frau, die in der Loge des Landtagsplenums sitzt. Küßchen für Hiltrud.

Zwei Stimmen mehr, als die SPD-Landtagsfraktion Mitglieder hat, sind bei der Neuwahl des Ministerpräsidenten gestern für Gerhard Schröder abgegeben worden. Der Landtag bestätigte wieder einmal die seit 1976 geltende Regel, daß in Niedersachsen immer mit Abweichlern zu rechnen ist. Nur wurde diesmal die SPD freudig überrascht, oder sie hatte vorgebaut. Über 81 Sitze verfügen die Sozialdemokraten im neuen niedersächsischen Landtag, auf zusammen 80 Sitze kommen die beiden Oppositionsparteien, 67 Abgeordnete hat die CDU, 13 die Grünen. 83 Stimmen für den Ministerpräsideten, 76 Neinstimmen, eine Enthaltung und ein ungültiger Wahlzettel erbrachte gestern mittag die Wahlprozedur. Gleich vier Abgeordnete hielten sich nicht an das „Nein“, das sich die Fraktionen von CDU und Grünen für den Wahlgang strikt verordnet hatten.

Gerhard Schröder, der an diesem Morgen als einfacher Abgeordneter in der letzten Reihe Platz nehmen mußte, konnte derweil die Nervosität kaum überspielen, nestelte an seinem Anzug oder zupfte in seinem Gesicht herum, stand schließlich auf und ließ sich von seiner Gattin auch noch das nervöse Händchen halten. Schröder konnte sich nicht aller SPD-Abgeordneten sicher sein, schließlich waren schon vorher bei den internen Wahlen zum Fraktionsvorstand zwei SPD-Abgeordnete aus der Reihe getanzt. Daß man sich für diese unsicheren Kantonisten vorsorglich Ersatz in anderen Fraktionen besorgt hat, dafür spricht Schröders Wahlergebnis.

Der Ministerpräsident hatte natürlich „nicht die Absicht, darüber nachzudenken, woher die zusätzlichen Stimmen gekommen sind“, konnte sich dann aber doch einen Seitenhieb auf den neuen CDU- Fraktionsvorsitzenden Christian Wulff nicht verkneifen: „Ich will aus dem Ergebnis auch keine Schlüsse auf den Fraktionsvorsitzenden der größten Oppositionspartei ziehen.“ Wulff selbst gab sich überzeugt, daß vier Grüne nicht mit Nein gestimmt hätten. Bei denen gäbe es wohl noch „alte Änhänglichkeiten“. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andrea Hoops, allerdings hielt dem entgegen: „Unsere Fraktion hat geschlossen mit Nein gestimmt, die stand wie eine Frau.“ In seiner Regierungserklärung, der das Schlagwort „Wir nehmen die Herausforderung an“ vorangestellt war, mahnte Schröder „die richtigen Schlußfolgerungen“ aus dem niedersächsischen Wahlerfolg der Grünen an, und erklärte pflichtgemäß „die ökologische Erneuerung zum integralen Bestandteil einer aufgeklärten und modernen Wirtschaftspolitik.

Er betonte die dramatischen Haushaltsprobleme des Landes, ließ aber letztlich offen, wo genau und in welchem Umfang er den Rotstift anzusetzen gedenkt. Durch das Wahlergebnis sei die nun zu Ende gegangene Koalition eindrucksvoll bestätigt worden. Das Ergebnis zeuge vom Wunsch nach Kontinuität.

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