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Feministische Partei - Hilflosigkeit?

■ Frauen wollen verschärft in der Politik mitmischen – jede sieht die Notwendigkeit, bloß wie realisieren? Eine Diskussion über fünf Wege

Brauchen Frauen eine feministische Partei, um sich wirkungsvoll in die Politik einmischen zu können? Sollen Frauen „Nein“ zum althergebrachten Parteiensystem sagen – liegt der Weg der Zukunft dagegen in einer breiten autonomen Bewegung von unten? Soll es ein bundesweiter feministischer Verband sein, der frauenpolitische Interessen im Superwahljahr vertritt, oder doch lieber professionelle Frauen-Netzwerke?

Die Wahlkämpfe auch des Jahres 1994 werden an anderen Fronten bestritten als an der frauenpolitischen – darin sind sich Feministinnen weitgehend einig. Zum „Einmischen – Mitmischem – Aufmischen“ rief in der letzten Woche das Bremer Frauenbündnis, Nachfolgerin des Frauenstreikkomitees, in einer Podiumsdiskussion auf, bei der weit mehr diskutiert wurde als alle Wege, die nach Bonn führen könnten.

Jutta Oesterle-Schwerin, unter Protest aus den Grünen ausgetretene Ex-Bundestagsabgeordnete, warb für ihre Idee einer feministischen Partei – „in der gemischten Parteiarbeit sind Frauen immer in der Minderheit, stehen auf zweitrangigen Plätzen, und wenn sie in die erste Reihe wollen, sind sie unter enormem Anpassungsdruck – denn sie müssen von Männern dorthingewählt werden“, lautete ihre Argumentation für eine „ladies only“-Partei. Deren Inhalte blieben allerdings vage; feministisch solle sie eben sein, auch die Dominanzfrage männlich-weiblich, weiß-schwarz etc. müsse angesprochen werden, und: „Ich möchte kein Bündnis mit Frauen, nur weil sie Frauen sind – dann bleiben wir eben wenige...“, so Jutta Oesterle-Schwerin.

Knapp 100 Frauen waren gekommen und protestierten zum Teil heftig gegen diese Idee. Gudrun Fischer, in der autonomen Bewegung aktive Journalistin, ließ ahnen, wie der „radikalautonome Weg“ aussehen könnte: über die Zuhörerinnen ließ sie zunächst eine zehnminütige, vom Blatt gelesene Demonstration in political correctness ergehen – kein statement ohne die Worte „Rassismus“, „Sexismus“ und „Patriarchat“ – und brachte anschließend die Parteienkritik auf den Punkt: „Auch für eine Frauenpartei kann nur alle vier Jahre ein Kreuz gemacht werden.“ Schärfste Kritik erntete allerdings ihre Schlußfolgerung, der Aufruf zum Wahlboykott: Das stärke schließlich nur die Rechten. Unwidersprochen war allerdings zuvor die Beschreibung geblieben, daß die feministische Partei „so viele Stimmen wie möglich denen abziehen soll, die uns nicht passen.“ Auch wenn die Partei in spe noch kein Programm hat, es zeichnet sich ab, daß sie in erster Linie eine Konkurrenz für die Grünen und die SPD wäre – wenn überhaupt.

„Völlig absurd“ nannte Dörthe Jung, Soziologin und Mitbegründerin der Frankfurter Frauenschule, die Frauenparteidiskussion, die für sie eher ein „Ausdruck politischer Hilflosigkeit“ sei: „Wir sollten unsere Kräfte nicht an den Aufbau einer Partei binden, sondern uns auf breiter Ebene sehr viel stärker in die Politik einmischen.“ Die Frauenbewegung habe es versäumt, in den letzten Jahren neue ethische Konzepte zu entwickeln, die einen neuen Umgang innerhalb einer solchen Partei ermöglichten – die Folge: „Ein Machtgerangel, in dem die Frauen sich zerfleischen werden“, so Dörthe Jung. Ihr Ansatz: Eine professionelle Frauen-Lobby „ohne ideologische Aufnahmeprüfung“, geführt zum Beispiel wie das Unternehmen Greenpeace. Das solle dann Bündnisse auf Sachebenen suchen. Dogmatisierung hingegen sei besonders für junge Frauen nicht mehr sonderlich interessant.

Maria Spieker von den Bremer Grünen setzte auf bekannte Positionen: Sie verstehe Frauenpolitik vor allem als Querschnittsaufgabe, und Veränderung gebe es nur, wenn sich auch bei den Männern etwas verändere. „Frauenpolitik braucht Macht und eine Lobby – sonst nützt es gar nichts, in den Parlamenten zu sitzen“, schickte sie in Richtung Oesterle-Schwerin, die zuvor die Notwendigkeit der Parteiarbeit damit begründet hatte, daß nur so der Zugriff auf die nicht geringen Ressourcen des Parlamentes möglich sei. Auf den Vorwurf, die Grünen verabschiedeten sich mehr und mehr von zentralen frauenpolitischen Forderungen, wußte Maria Spieker allerdings nichts entgegenzusetzen als einmüdes Schulterzucken - offenbar wohlwissend, daß dieser Vorwurf seine Berechtigung hat.

Auf dem Podium saß weiter Semra Ulusoy von der Frauengruppe des türkischen Arbeitervereins – ihr blieb der mahnende Part: „Ich will keine Frauenpartei, denn auch dort hätte ich keinen Platz, weil ich kein Wahlrecht habe.“ Sie wünschte sich stattdessen politische Zusammenarbeit mit allen, die mit ihr gegen den Sozialabbau, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Rassismus angehen.

Belächelt wurde weitgehend Erika Riemer-Noltenius mit ihrer Idee, sich für die Bundestagswahl als Direktkandidatin aufstellen zu lassen: einfach nur Frau sein, das reichte vielen als politisches Programm denn doch nicht. Obendrein verkündete die Politologin nun auch noch öffentlich, daß sie die Wahlkampfkostenerstattung – bei eventuellem Erfolg immerhin mehrere zehntausend Mark – ganz gut als Aufbesserung für ihre Rente gebrauchen könne.

Mit einem gepflegten Schuß ratlosem Tatendrang wurden die Teilnehmerinnen letztlich entlassen – „immerhin dazu angeregt, über dieses Thema nochmal nachzudenken“. Und wenn das „Wie“ geklärt ist, stehen sicherlich noch einmal heiße Diskussionen um das „Was“ an. Susanne Kaiser

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