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■ Filmstarts à la carteLaß uns ein Waffenembargo lüften

Hoher Besuch, fast klammheimlich: Im Rahmen der Sommerakademie wird man heute abend die Chance haben, Bernard-Henri Lévy persönlich nebst seinem Film Bosna zu sehen. Es ist der zweite Film des Philosophen über den Krieg in Bosnien, nur hat er mit diesem hier noch sehr viel mehr Politik gemacht als mit dem ersten Ein Tag im Sterben von Sarajevo. In Cannes hat er dafür gesorgt, daß sein Film und er selbst mit dieser fulminanten Locke zum Tagesthema wurde; zurück in Paris, hat er die Sozialistische Partei kurz vor den Europawahlen damit nervös gemacht, daß er und seine Freunde eine eigene Liste zur Europawahl aufstellten. Was immer man gegen seine nicht unerhebliche Eitelkeit einwenden mag: Er hat wirklich in ein recht saturiertes Klima vom üblichen Wahlkampfgeplänkel einen Stolperstein gebracht, an dem dann niemand mehr vorbeikam: Der Krieg in Bosnien war plötzlich in aller Munde, obwohl oder gerade weil Lévys Film ein Muster an manichäischem Denken ist. Die Serben sind immer Nazis, Bosnien und die Muslime die Erben der Spanischen Republik, Europa in einer Situation wie 1936, in der es darauf angekommen wäre, mit der Republik ein Prinzip zu retten, was nun eben, so sieht es Lévy mit seiner Formel „Europa beginnt in Sarajevo“, noch immer täglich mit den Füßen getreten wird. Seine Forderung: Aufhebung des Waffenembargos.

Die Sache verspricht kontrovers zu werden, wenn sie es nicht wird, ist es um diese Stadt recht traurig bestellt, also aufgemerkt:

Eine recht hübsche Idee hatte das Kino Camera im Tacheles, wo man ja ohnehin ständig vorbeikommt. Dort werden in diesem Monat Filme vorgestellt, die irgend etwas mit Einzelgängern zu tun haben. Herrschaften, die immer hart am Amokläufer vorbeischrappen, andererseits das Zeug zum Helden haben: Gina Rowlands als Mutter wider Willen in Casavettes Gloria, Faßbinders armer Herr Obsthändler, Fellinis Casanova, dürr und filigran gespielt von jetzt fällt mir doch tatsächlich auch dieser Name schon nicht mehr ein; dann Harvey Keitel in seiner Tour de force als Bad Lieutenant, und schließlich der schöne, schöne, schöne Daniel Auteuil als zynischer Sonderling in Claude Sautets Ein Herz im Winter.

Als Abschlußveranstaltung der Vortragsreihe „Die Legende von Paul und Paula. Alltagskultur und Geschlechteridentität in der DDR“ wird am Freitag abend der Film „Der Dritte“ von Egon Günther gezeigt, woran anschließend Disco folgt „statt Diskussion“.

Zwei der schönsten Dokumentarfilme, die ich je über Israel gesehen habe, werden dieser Tage im Arsenal gezeigt, nämlich Chris Markers Description d'un combat und Claude Lanzmanns Pourquoi Israel. Während man bei Marker lebhaftes, mitunter haßerfülltes Zähnefletschen sieht, von Siedlern, von Arabern, von Araberhassern, von frohen Peaceniks, sieht man bei Lanzmann, wie ein russischer Immigrant Fuß fast im Land, wie Leute von der Verzweiflung überrumpelt werden, und wie man aufatmet an Yom Kippur und durch die Straßen tanzt. Basso continuo in beiden Fällen ist die Shoah.

600 Juden, manche, die gekämpft, und andre, die nicht gekämpft hatten, hockten in der Kanalisation von Vilnius, als die Rote Armee die Stadt befreite. Zum Jahrestag ihrer Befreiung zeigt das Arsenal noch einmal den nicht ganz unproblematischen Partisans of Vilna von Josh Waletzky.

mn

Überregional neu startende Filme werden auf den Kulturseiten der Donnerstagsausgabe besprochen.

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