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1:1 mit dem Küchenmesser

■ Ehestreitigkeiten, die tödlich enden: Vor dem Landgericht müssen sich ein Mann und eine Frau verantworten, die ihre jeweiligen Partner auf dem Gewissen haben

Jahrelange Streitereien, Schläge, Alkohol, und jedes Mal war ein Küchenmesser im Spiel. Einmal tötete eine Frau ihren Lebensgefährten, einmal ein Ehemann seine Frau.

Am 15. Januar 1994 kurz nach Mitternacht rammte die 30jährige arbeitslose Bekleidungsfacharbeiterin Kerstin Sch. aus Lichtenberg ihrem Lebensgefährten ein Küchenmesser in den Unterleib. Sie verletzte den 29jährigen Polizisten Karsten K. dabei so schwer, daß er innerlich verblutete.

Seit gestern steht sie wegen Totschlags vor Gericht. Die schlanke, mittelgroße Frau mit den dunklen Augen und dem schmalen Gesicht ist ein attraktiver, androgyner Typ. In der Liebe hatte die Mutter eines 13jährigen Jungen jedoch kein Glück. Sie hatte schon viele gescheiterte Beziehungen hinter sich, als sie in ihrer Stammkneipe Karsten K. kennenlernte. Bereits einen Monat später zog sie mit ihrem Sohn zu ihm. Anfänglich war „alles wunderbar“, berichtete die Angeklagte gestern. Doch als sie ihre Wohnung kündigte und so in eine größere Abhängigkeit von dem Mann geriet, habe sich sein Verhalten sehr verändert. Karsten K. habe nach dem Dienst immer mehr Alkohol getrunken, sie und ihren Sohn beschimpft. Auch sie selbst habe nun dem Alkohol zugesprochen. Bei den Streitigkeiten setzte es in der Regel auch Schläge, gegen die Kerstin Sch. sich mit besten Kräften zur Wehr zu setzen versuchte.

Weil sie ihm kräftemäßig unterlegen gewesen sei, so die Angeklagte, habe sie zu anderen Mitteln gegriffen: Bereits im vergangenen Sommer hatte sie den Mann mit einem Messer am Oberarm verletzt. Auf die Frage des Richters, warum sie Karsten K. nicht einfach verlassen habe, antwortete sie mit weinerlicher Stimme: „Ich hatte Angst, schon wieder die Wohnung und die Schule für meinen Sohn wechseln zu müssen. Ich habe einfach resigniert.“ Außerdem hätten sie sich immer wieder versöhnt.

Auch in der Tatnacht hatten beide viel Alkohol getrunken. Nach einer Prügelei in der Kneipe und auf der Straße hatte sich Karsten K. in der Wohnung in einem Zimmer eingeschlossen. Die Staatsanwaltschaft geht aufgrund der Spuren davon aus, daß Kerstin K. mit einem großen Küchenmesser 30mal auf die verschlossene Tür eingestochen hat, bevor der Mann öffnete und sie packte. Daraufhin habe sie ihm die 19,5 Zentimeter lange Klinge in den Bauch gestoßen. Die Angeklagte bestritt dies gestern: „Ich wollte mir gerade eine Stulle abschneiden“, da habe er sich auf sie gestürzt. Bei ihrer Gegenwehr sei es passiert. „Ich wollte ihn nicht töten.“ Die Eltern des Opfers verfolgten den Prozeß als Nebenkläger. Bei der Tatschilderung brach es aus dem Vater haßerfüllt heraus: „Sie hat von hinten brutal zugestochen.“ Und die Mutter zischte mit tränenerstickter Stimme: „Die lügt.“

„Verflucht sei die Welt“

Im vergangenen November feierten Türker B. und seine Frau Cornelia ihren zwölften Hochzeitstag in ihrer Wohnung in Spandau. Der 37jährige Türke hatte seiner 31jährigen Frau goldene Ohrringe geschenkt, zwei Flaschen Sekt standen bereit. An diesem Abend, so hoffte er, würde sie die vier Wochen zuvor beantragte Scheidung rückgängig machen. Nachdem jeder eine Flasche Sekt getrunken habe, so der Installateur, „führten wir ein tiefes Gespräch und haben dabei die Granatäpfel vergessen“, die neben einem Küchenmesser auf dem Tisch lagen.

Doch es kam zum Streit, das Wort „Schlappschwanz“ fiel. Darüber sei er so in Rage geraten, daß er zu dem Messer gegriffen habe. An alles weitere könne er sich nicht mehr erinnern. Als seine Frau tot auf der Couch lag, habe er versucht, sich mit Tabletten umzubringen. „Ich war fertig und wollte einfach nur tot sein“, sagte der schwarzhaarige Mann mit Vollbart in brüchigem Deutsch auf die Frage des Richters, ob er denn nicht an seine vier Kinder gedacht habe. In einem Abschiedsbrief schrieb er, daß er den Tod seiner Frau nicht gewollt habe. Der Brief endet mit dem Satz: „Verflucht sei alles und die ganze Welt.“

Seit gestern steht der seit zwanzig Jahren in Berlin lebende Türke wegen Totschlags vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß er mit einer 25 Zentimeter langen Messerklinge fünfmal mit voller Wucht auf seine Frau eingestochen hat. Der Angeklagte, der in einer neurologischen Abteilung in U-Haft sitzt, schilderte die ersten Ehejahre gestern als „harmonisch“. 1990 hätten dann beide angefangen zu trinken. In der kleinen Wohnung sei es immer häufiger aufgrund von Nichtigkeiten zu Streitereien gekommen, bei denen sie sich öfter gegenseitig beleidigt und geschlagen hätten. „Ich weiß nicht, warum“, so der Angeklagte mit leiser Stimme. Oft habe er danach die Wohnung verlassen, um in Kneipen weiterzutrinken.

Nachdem Cornelia B. ins Frauenhaus geflüchtet war, bekam sie die Wohnung und das Sorgerecht für die Kinder. Er ließ jedoch nicht von ihr ab und bedrohte sie mit einem Messer. Sie erstattete Anzeige, zog diese jedoch zurück. Drei Tage bevor die beiden ihren zwölften Hochzeitstag feierten, hatte sich Türker B. mit einem Revolver Zutritt zu der Wohnung verschafft, um sie von ihren Scheidungsplänen abzubringen. Beide Prozesse werden fortgesetzt. plu/wahn

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