: Der "ran"-Motivator
■ Auf Sat.1 macht Reinhold Beckmann Sport-TV für die Turnschuhgeneration
Er ist schwer zu erreichen, dieser Tage. Immerhin ruft er zurück. Am Telefon klingt er gehetzt, das aber ganz lässig. So wie Reinhold Beckmann überhaupt als Gesamtprodukt so leger daherkommt wie sein Sender es gerne als Ganzes möchte: Sat.1 weiß, was es an seinem Jungstar hat.
Der von Kirch und Springer beherrschte Fernsehsender, dem inzwischen selbst von seinen kleinen Anteilseignern eine schier unerträgliche CDU-Sympathie attestiert wird, spricht von tiefer „Zufriedenheit“, wenn er auf das Projekt des Reinhold Beckmann zu sprechen kommt: „ran“, das „postmoderne Surrogat“ (Zeit-Magazin) der öffentlich-rechtlichen „Sportschau“, macht Sat.1 auch für TV-Konsumenten akzeptabel, die sonst auf ihre liberale Gesinnung halten.
Gelegentlich erreicht „ran“ einen Marktanteil von fünfzig Prozent. Locker erzielt man mit der Nachfolgesendung der TV-Ikone „Sportschau“ Quoten, die die öffentlich-rechtlichen Sender haben resignieren lassen: Freitags beispielsweise sendet die ARD keine „Sportschau“ mehr; das ZDF verzichtet derweil gänzlich auf Fußballberichte. Sat.1 hat sich seit 1992 nicht nur die Übertragungsrechte für die Bundesliga gesichert, auch sonst hat der Privatsender das Rennen gemacht mit seiner „ran“- Show.
Und Beckmann, Jahrgang 1956, ist das recht. Mehr noch: Vorhaltungen, daß seine Sendung, die zu konzipieren ihm während seines Engagements als premiere-Sportchef Ende 1991 angetragen wurde, unkritisch sei, weist der Mann zurück. Daß er mit „ran“ den journalistischen Auftrag zugunsten einer puren Feier des Objekts – des Fußballs eben – aufgegeben habe, will Beckmann nicht einsehen. „Wir haben so viele Sachen angestoßen“, sagt er, schnauft vernehmlich in die Telefonmuschel, genervt über die „Klischees“, die immer wieder verbreitet würden, denn seien etwa die Berichte über Dresdner Lizenzmachenschaften, über Doping im Fußball, aber auch die Features während der Fußball-WM aus den USA nichts?
Ja, da liegt er richtig: Enthüllungsgeschichtlein aus der Heribert-Faßbender-Ecke sind keine überliefert, und der Vorwurf der Hofberichterstattung prallt vom Bemäkelten ab. War nicht gerade die ARD für ihre Servilität den Fußballvereinen gegenüber bekannt, für ihre Liebedienerei, in der sie sich von keinem Stammtischbruder übertreffen lassen wollte? Insofern kann Beckmann ruhig sagen: „Was wir gemacht haben, ist nichts weiter, als die Leute ernst zu nehmen.“ Und das heißt, Fußball als das zu inszenieren, was er ist: als Vergnügen, als Unterhaltung.
Schluß also, so Beckmann über seine früheren Lehrherren beim WDR, mit der „Nörgelei“, mit der Schläfrigkeit einer Beamtenmentalität, die bei Sat.1 nicht denkbar sei: „Ich bin da als Motivator gefordert – aber meine Leute wissen selbst, daß sie ihre Arbeit für die Zuschauer tun.“ Eben TV-Fußball zu präsentieren, der etwas anderes sein muß als der Kick im Stadion: „ran“ verspricht nicht mehr als eine Ware zu liefern, die antörnt, die die Wünsche der TV-Kickergemeinde nach Spektakulärem befriedigt.
Das Versprechen wird gehalten, soviel darf festgestellt werden: Die gesamte Ästhetik der Fußball-TV- Berichterstattung hat sich geändert. Vor allem der Kameraführung von „ran“ ist es zu danken, daß das Spiel von Bayern München gegen den 1. FC Nürnberg wiederholt werden mußte – hatten doch die Aufnahmen belegt, daß ein vom Schiedsrichter gegebenes Tor keineswegs im Netz der Nürnberger zappelte.
Altmodische Gemüter mögen einwenden, daß „ran“ viel zu atemlos sei, auf die Gemächlichkeit des Tuns an und für sich keine Rücksicht nehme und selbst beim hinterletzten Gurkenspiel so tue, als sei der Kommentator beim hippesten Spiel der Liga gewesen. Aber die Leute von „ran“ wissen, daß längst eine andere Generation von Fußball-Gourmands herangewachsen ist, eine vor allem, die auf Ereigniskultur setzt: besser, höher, weiter. So soll es sein, vor allem im Fernsehen, selbst wenn dafür Spiele, die im Stadion ganz anders aussahen, umgedeutet werden.
„ran“ ist die Sportschau der Turnschuhgeneration, eine, die mit Fußball aufwuchs, die allerdings auch stets überprüft, ob er auch sensationell genug ist, mithin reichlich Stoff für flimmernden Zeitvertreib bietet. Ohnehin wissen die „ran“-Leute – und Reinhold Beckmann als Prototyp dieser Generation zuvörderst –, daß selbst fünf Liveübertragungen pro Woche, beispielsweise beim Europapokal, hohe Quoten erzielen, womit wieder mal bewiesen wurde, daß Fußball nicht mit dem Turnvater-Jahnschen Motto des „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ zu begreifen ist, sondern mit den Kategorien von Suchttherapeuten beschrieben werden muß.
Womöglich war der Generationswechsel nötig: Faßbender & Co waren an uninformierter TV-Demenz kaum noch zu übertreffen. Mit ihnen wäre es so gemütvoll langweilend weitergegangen wie die dreißig Jahre zuvor. Die Nachrufe auf die „Sportschau“, weinend formuliert vor eben zwei Jahren, haben nur eines bewiesen: den Willen der Autoren zur Nostalgie, sich also einer Zeit zu erinnern, als die Familie noch beisammen saß.
Der Erfolg von „ran“ ist Beckmanns Erfolg. Der Mann, der sich nach eigener Aussage eigentlich gar nicht für Sport interessiert, scheint allmählich genug zu haben, „zuviel Unterschriftenmappen“, sagt er. Man versteht. So einer wie Beckmann sucht das Rampenlicht, mindestens eine neue Herausforderung. Im Oktober wird er, kritischer Opportunist, der er ist, in Sat.1 eine neue Plauderrunde ins Leben rufen. „No sports“ heißt sie. Der Titel, so Beckmann alle vorherigen Bekenntnisse souverän ins Gestern verweisend, habe mit seiner Überzeugung zu tun, daß nicht alles „trendiger, hipper“ zu werden habe, daß er mit der Kultur der Muskeln und Moneten nichts zu schaffen haben wolle.
Jeden Freitag nach „ran“ wird er talken. Er beteuert, mehr mit den Gästen machen zu wollen, als sie nur „trocken auszufragen“. Was das sein soll, konnte nicht erläutert werden. Topfschlagen, Sackhüpfen? Egal. Einen Sieg hat Beckmann schon errungen: Thomas Gottschalk, das längst ausgelaufene Modell aller Plauderdampfmaschinen, wird im Herbst auf seine Freitagssendung verzichten. Hat er Angst vor Beckmann? Jan Feddersen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen