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■ Press-SchlagVerdunkelungsgefahr

Erinnert sich noch jemand an Hooligans? Diese „sogenannten Fußballfans, die gar keine sind“ (Heribert Faßbender), tobten „gewaltbereit“ (Polizeijargon) durch die Stadien der späten achtziger Jahre, denn „sie kennen nur Haß“ (Bild) und „gleich gibt's was auf die Fresse“ (Stern). Lange nichts mehr von der „Gewaltfront“ (Spiegel) gehört. Führt das Fachblatt Fan-Treff noch seine Kampagne „Für einen fairen Fight ohne Waffen“? Seit Sat.1 entschieden hat, daß die Bundesliga ein endloser Kindergeburtstag ist, scheinen Fans per Definition kein Problem mehr zu sein, sondern machen brav La ola, die tolle Welle, und kaufen Fan-Souvenirs, bis die Vereinskassen platzen.

Doch keine Angst, noch verstauben Hooligans nicht ganz in der Vitrine für ehemalige Problemkinder – neben Rockern oder Teds etwa. Noch gibt es ein kleines trutziges Dörfchen im Land der Amnesie, wo man ein Auge auf sie wirft: Duisburg. Dort hatte die Polizei schon im Dezember letzten Jahres gebeten, die „Spiele mit erhöhtem Sicherheitsrisiko“ (Einsatzleiter Detlef Fox) gegen Schalke, Dortmund und Köln möglichst nicht auf Abende zu terminieren, um die „Situation leichter kontrollieren zu können“ (Fox). Prompt wurde das Derby gegen Schalke 04 auf den vorgestrigen Mittwoch abend angesetzt.

War das dumm, und wann ist es eigentlich dunkel? Darüber entspann sich zwischen DFB, Polizei, MSV Duisburg, Landeskriminalamt und Innenministerium eine verschlungene Diskussion. Für den DFB ist es, so DFB-Sicherheitschef Wilhelm Hennes, an einem Mittwochabend im August jedenfalls nicht dunkel. (Und wie dunkel ist es am 12. November um 17.30 Uhr nach Abpfiff des Spiels gegen Köln?) Der Verband konnte sich gegenüber der Polizei mit dieser Ansicht aber leider sowenig durchsetzen wie MSV-Präsident Dieter Fischdick, der glaubhaft machte, daß „man doch noch um 10 Uhr abends Zeitung lesen“ kann. Die Polizei bestand auf dem Anstoßtermin 18 Uhr.

„Die größten Probleme haben wir nach dem Spiel. Und in der Dunkelheit hätten wir 200 Mann zusätzlich gebraucht“, erklärt Detlef Fox und spielt damit einige Töne des Liedes an, das sein höchster Dienstherr, NRW-Innenminister Schnoor, so gerne singt. Der will nämlich von den Bundesligisten für Poizeieinsätze immer Geld haben, weil die ja angeblich in Fernseh- und Sponsorengeldern schwimmen.

Aber warum eigentlich die ganze Diskussion, die „Freunde der dritten Halbzeit“ (Selbstbeschreibung) sind doch in der Krise. Durch repressive Polizeiarbeit hat ihr Tun längst absurde Züge gewonnen. Im letzten Jahr etwa konnten sich Hools aus Hannover und Hamburg zu einer Prügelei nur am späten Samstagabend in Braunschweig treffen. Und berichten will das auch niemand mehr. So waren die „Fußball-Rowdys“ (Bunte) in Duisburg über ein wenig der sonst schmal gewordenen Aufmerksamkeit wahrscheinlich sogar ganz froh. Hatten sie doch indirekt dazu beigetragen, daß erstmals seit Beginn der Menschheitsgeschichte ein Spiel der beiden Lokalrivalen nicht ausverkauft war. „Wir haben schließlich viele Fans, die bis sechs Uhr arbeiten“ (Dieter Fischdick).

Das Transparent der ehemals so berüchtigten „Gelsenszene“ war wohl für den Anlaß frischgewaschen und frischbestickt (Teufel mit Dreizack!), und die Duisburger riefen wie in besseren Zeiten: „Wir kriegen euch alle!“ Aber der große Schwung vergangener Zeiten („Schlagt die Schalker tot!“) fehlte, da wußte auch das 2:2-Unentschieden nicht so recht zu polarisieren. Am meisten fehlte aber der Alkohol. „Die hatten gar keine Zeit, sich einen anzusaufen“, so Detlef Fox, und deshalb wurde dieser Schalke-Einsatz „einer der ruhigsten der letzten Jahre“. Tolle Bilanz der Aktion: alle haben recht gehabt, ob Sat.1 („Alles so schön bunt hier“), Verein („Ist doch eh alles kein Problem mehr“) oder Polizei („Let the sunshine in“). Ein großer Tag für die Sicherheit. Christoph Biermann

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