: Wider das „doppelte Meinungsklima“
Ein konservativer Verein um die Meinungsforscherin Noelle-Neumann übt sich in Medienobservation ■ Von Achim Baum
Unter JournalistInnen genießt die deutsche Medienwissenschaft einen schlechten Ruf – und das nicht ohne Grund. Denn seit den siebziger Jahren wird das Erscheinungsbild dieser Disziplin von einer konservativen Clique dominiert, die sich um die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann herum gebildet hat. Der Allensbacherin, ehemals Chefin am Mainzer Institut für Publizistik und Beraterin Helmut Kohls, ist es gelungen, ganze Generationen von WissenschaftlerInnen darauf anzusetzen, nach dem angeblich „doppelten Meinungsklima“ in Deutschland zu forschen.
Unablässig ermitteln Noelles Demoskopen die deutsche Durchschnittsmeinung, nachzulesen in regelmäßigen FAZ-Kolumnen oder im Allensbacher „Jahrbuch der öffentlichen Meinung“. Doch in Presse, Funk und Fernsehen läßt sich dieser Durchschnitt partout nicht wiederfinden – ein Verschulden des „erheblich links-schiefen“ Journalismus, wie Noelle-Neumann und ihre Adepten wähnen. Die Journaille, die sich an ihrer eigenen, der veröffentlichten Meinung hochzieht, stößt damit die Bevölkerungsmehrheit von Fall zu Fall in den Abgrund der „Schweigespirale“, so die Schlußfolgerung. Was liegt also näher, als dem regelmäßigen Rapport über die „öffentliche Meinung“ einen Wächter der veröffentlichten Meinung zur Seite zu stellen – einen Medien-Monitor? So geschah es denn auch. Anfang des Monats wurde in Bonn das neue Periodikum vorgestellt.
Der Medien-Monitor, ein 14täglich publizierter News-Letter (Jahresabo: 440 Mark), spiegelt nach eigener Darstellung „wissenschaftlich exakt und neutral wider, wie deutsche Medien über bestimmte Themen, Sachverhalte und Personen berichten“. Erste Zweifel an der Neutralität jedoch weckt schon der Blick auf die illustre Schar von Hintermännern und -frauen: Herausgegeben wird das Blatt vom sogenannten „Verein für Medieninhaltsanalyse e.V.“, angeführt von Professor Wolfgang Bergsdorf, einer grauen Eminenz unter den neokonservativen Medienexperten in der Bonner Administration. Der wissenschaftliche Beirat des Vereins wartet unter anderem mit den Musterschülern Noelle-Neumanns auf: mit den Professoren Hans-Mathias Kepplinger (Mainz) und Wolfgang Donsbach (Dresden) sowie mit der erheblich rechts-schiefen Brigitte Seebacher-Brandt (ach, Willy!). Unter den Mitgliedern des Redaktionsbeirats schließlich findet sich die Meisterin selbst, Prof. „Drs.“ E. Noelle-Neumann. Diese Corona nennt der Chefredakteur von Medien-Monitor, Roland Schatz, ohne jede Ironie „sozusagen eine Bürgerinitiative“. Als „Privatpersonen“ finanzieren sie den Verein, der „Transparenz“ in die deutsche Presselandschaft bringen will. Ein Projekt, so Schatz, das dann „durch Absprache mit Meinungsforschungsinstituten überprüfen“ könne, inwieweit der Vorwurf stimme, „daß Medien Meinung machen“. Medien-Monitor, ergänzt Donsbach, sei „eine Art Sensor (...) für Entscheidungsträger, für Leute, die Medien-Management machen müssen“, ein „Frühwarnsystem für alle (...), deren eigene Interessen nicht zuletzt von der veröffentlichten Meinung“ abhängen.
Tatsächlich aber muß man den „eigenen Interessen“ wohl blind vertrauen, wenn man aus der Erbsenzählerei positiver und negativer Erwähnungen einen Nutzen ziehen will, die der Medien-Monitor bei elf Tageszeitungen, sechs Wochenblättern und bei den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 anstellt. Ohne Unterscheidung der Medien und der journalistischen Genres werden Aussagen etwa nach Dauer („TV: zehn Sek.“) oder Länge („mehr als zehn Zeilen“) codiert. Anschließend werden die so gewonnenen Statistiken dann weitgreifend als „Belastung für die Koalition“ oder als „negatives Image der Banken“ entschlüsselt. Wie die Statistiker allerdings an ihre Themen kommen, bleibt deren Geheimnis. Etwa durch Zeitunglesen und Fernsehen? Spannend wird's jedoch, wenn Medien- Monitor die jeweiligen Fragen auflistet, die angeblich in der Berichterstattung gefehlt haben: der Wirtschaftsaufschwung, die guten Absichten der FDP oder die Probleme der SPD-Regierung in Magdeburg erscheinen dann als Desiderate, denen die Journaille nicht gerecht geworden ist.
So bleibt am Ende der Verdacht, daß es sich beim Medien- Monitor vor allem um ein Instrument der Medienkontrolle handelt, mit dem die Ansicht belegt werden soll, daß die JournalistInnen sich als Konkurrenten „im Kampf um politische Macht“ (Donsbach) begreifen – quasi ein Instrument gegen undemokratische Umtriebe, denen – natürlich „wissenschaftlich exakt“ – das Handwerk gelegt werden muß.
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