: Aufwind für Belgiens Ausländerhasser
Bei Kommunalwahlen gewinnen rechtsextreme Parteien dazu / Nutznießer von Korruptionsaffären in der etablierten Politik und vom Streit zwischen Flamen und Wallonen ■ Aus Brüssel Alois Berger
Im letzten Jahr war die flämische Hafenstadt Antwerpen Kulturhauptstadt Europas, doch von einer europäischen Kultur ist dort nicht mehr viel zu spüren. Die flämischen Ausländerhasser vom Vlaams Blok sind am Wochenende zur stärksten Kraft im Antwerpener Rathaus gewählt worden. Mit 28 Prozent haben sie fast ein Drittel der Stimmen erobert. Christsoziale und Sozialisten haben vor Schreck noch am Wahlabend eine Große Koalition vereinbart, um den Vlaams Blok möglichst weit von der Macht fernzuhalten. Aber nicht nur in Antwerpen, sondern im ganzen Land haben die Rechtsradikalen bei den belgischen Kommunalwahlen deutlich zugelegt: Der flämische Vlaams Blok und die wallonischen Rechtsausleger Agir und Front National haben landesweit 10,4 Prozent dazugewonnen und bekamen im Schnitt 12,6 Prozent aller Stimmen. In 15 der 19 Brüsseler Gemeindeparlamente sind die Rechtsextremen nun vertreten, zum Teil als drittstärkste Partei hinter den regional unterschiedlichen christlichen Volksparteien und den Sozialisten. Die größten Verluste erlitten die von Korruptionsaffären geschüttelten Sozialisten. Die grünen Parteien haben regional unterschiedliche Ergebnisse erzielt, im Durchschnitt aber leicht verloren.
Die hohe Wahlbeteiligung von weit über 90 Prozent erklärt sich aus der Wahlpflicht, die in Belgien herrscht. Viele Unzufriedene, die in anderen Ländern zu Hause bleiben würden, wählen aus Protest eben radikal. Vor allem aber profitieren die Rechtsextremen vom anhaltenden Streit zwischen Flamen und Wallonen. Besonders der Vlaams Blok reitet auf der Welle der Unzufriedenheit unter den bürgerlichen Flamen, denen die Aufteilung Belgiens in weitgehend autonome Regionen nicht weit genug geht. Ihrer Meinung nach zahlt das wirtschaftlich starke Flandern zuviel Geld für die vom Niedergang der Schwerindustrie gebeutelte Wallonie. Der Vlams Blok heizt diesen regionalen Egoismus gezielt an.
In der Wallonie dagegen, mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit und trostlosen Aussichten in der Kohle- und Stahlbranche ohnehin anfällig für demagogische Heilsversprecher, polemisieren rechtsradikale Parteien sowohl gegen die geizigen Flamen als auch gegen Ausländer. In der Stahlstadt Charleroi steigerte die Front National ihren Stimmenanteil von 0,4 auf über 10 Prozent. Die Zeitung Le Peuple diagnostiziert eine „Seuche“, die sich weiter ausbreiten werde.
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