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„Soldaten sind bezahlte Killer“

Von diesen Worten in einem Leserbrief beleidigt, erstattete die Heeresleitung der Bundeswehr Anzeige / Der Staatsanwalt ließ die Redaktionsräume eines Anzeigenblatts durchsuchen  ■ Von Hans-Hermann Kotte

Berlin (taz) – Arme Bundeswehr. Da soll sich unsere „starke Truppe“ doch eigentlich auf kommende weltweite Einsätze vorbereiten – doch an der heimischen Beleidigungsfront fordern Scharmützel fast alle Heereskraft. Nach der verlorenen Schlacht von Karlsruhe um den Tucholsky-Aufkleber („Soldaten sind Mörder“) wird der Meinungskrieg nun im niedersächsischen Salzgitter weitergeführt. An den Kragen gehen soll es dort dem Leserbriefschreiber Thomas Keller (23) und dem Redakteur Frank Groß (36). Am Mittwoch beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft in den Redaktionsräumen des Anzeigenblatts Salzgitter Woche einen bereits im Juli erschienenen Leserbrief.

Darin heißt es, daß „Soldaten nicht nur potentielle Mörder sind, sondern im wahrsten Sinne des Wortes bezahlte Killer“. Leser Keller bezog sich mit seinem Brief auf die Ausstellung „Unser Heer“, mit der die Bundeswehr durch die Republik tourt und um Verständnis und Rekruten wirbt. Die Ausstellung war im Juli auch in Salzgitter zu sehen gewesen.

„Töten sei die Dienstleistung des Soldaten“, meinte der Leserbriefschreiber Keller. Und er wies darauf hin, daß der Hubschrauber, mit dem die Bundeswehr Gratisrundflüge über Salzgitter veranstaltete, „manch einem vielleicht von Saddam Husseins Giftgaskrieg gegen die Kurden bekannt“ sei.

Zwei der uniformierten Dienstleister und die Heeresleitung in Köln waren von diesen deutlichen Worten so betroffen, daß sie bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig Anzeige wegen Beleidigung und Volksverhetzung gegen Thomas Keller und den verantwortlichen Redakteur Frank Groß stellten. Groß steht voll zu der Meinungsäußerung von Leser Keller und hat wie dieser auch bei der Bundeswehr gedient: „Ist die Demokratie nicht gefestigt genug für solche Ansichten?“ Nach dem Keller-Brief hatte der Redakteur eine Flut von konservativen Leserantworten ebenfalls abgedruckt und sogar noch eine Diskussionsrunde des Anzeigenblattes zum Thema organisiert.

Schon Monate vor der Beschlagnahme des Originalbriefs – in der Juliwoche nach Erscheinen des Leserstatements – hatte das Kölner Heeresamt sehr eigenen Ermittlungen angestellt. Ein Presseoffizier namens Lothar Szesni verlangte von Redakteur Frank Groß die Herausgabe der Adresse von Leser Thomas Keller und einer weiteren Leserbriefschreiberin, die die Ausstellung „Unser Heer“ mit der „Wehrkunde“ in der DDR verglichen hatte. Nachdem sich Journalist Frank Groß weigerte, die Adressen herauszugeben, drohte Szesni mit der Staatsanwaltschaft.

Ob die Beschlagnahme etwas gebracht hat, steht unterdessen noch nicht fest. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft konnte gestern weder sagen, ob die Adresse Kellers herausgefunden werden konnte, noch ob tatsächlich Anklage erhoben wird. Dabei hätten die Staatsanwälte auch schneller erfahren können, wo Keller lebt. Er steht zwar nicht im Telefonbuch, weil er noch im Hause seiner Eltern wohnt. Doch im Einwohnermelderegister ist er zu finden, wie Journalist Groß der taz verriet.

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