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Berlusconi gegen die Justiz: Runde 2

Trotz verweigerter Strafversetzung für Mailänder Oberstaatsanwalt: Regierung Berlusconi wirft der Justiz weiter Sand ins Getriebe / Hintergrund: Neue Verfahren, diesmal aus dem Süden  ■ Aus Rom Werner Raith

Italiens Regierung hat, so ulkt das Satiremagazin Cuore, zur Verringerung der Arbeitslosigkeit eine Reihe neuer Stellen eingerichtet. So die für einen „stündlichen Dementierer dessen, was Regierungsmitglieder in den 60 Minuten zuvor gesagt haben“ sowie einen für den „Rundumspäher, der rechtzeitig ankündigen soll, von wo sich ein Ermittlungsbescheid gegen die Firmen von Ministerpräsident Berlusconi ankündigt“.

Kein Zweifel, beide Dienststellen wären voll ausgelastet. So wie die derzeitige Regierung hat sich schon lange keine Administration mehr im Geflecht unausgegorener Dekrete und Ankündigungen verfangen – und einen Großteil davon führen auch wohlmeinende Interpreten vor allem darauf zurück, daß sich Berlusconi und seine Mannschaft noch immer vor spektakulären Enthüllungen der Staatsanwaltschaften fürchten.

Die Zahl der Versuche, Strafermittler in ihrer Macht zu beschneiden, überragt alle anderen Maßnahmen der Regierung – bisher freilich allesamt vergebens. Gescheitert ist nun auch der Versuch, den Leiter der Mailänder Antikorruptionskommission, Francesco Saverio Borelli, mit einer beim Obersten Richterrat eingebrachten Denunzierung strafversetzen zu lassen. Einmütig hat die zuständige Kommission das Ansinnen als „offensichtlich unbegründet“ zurückgewiesen.

Doch schon hat Berlusconis Regierung neue Schritte eingeleitet: Justizminister Alfredo Biondi hat sich an einen schon vier Monate alten Bericht des Mailänder Generalstaatsanwaltes Catalani erinnert. Darin wurde gemutmaßt, daß der eine oder andere Vorgang im Rahmen von „Mani pulite“ nicht ganz den Regeln des Strafverfahrensrechts entsprochen habe. Nun übersandte Biondi diesen Bericht – der in seinen Grundzügen bereits kurz nach Ablieferung im April beantwortet worden war – an die für die Justizüberwachung zuständigen Abteilungen seines Ministeriums, die Kommissariate der Justiz. Die sollen jetzt die Amtsstuben der Ermittler durchforsten und danach einen Bericht erstellen. Finden sich Unregelmäßigkeiten, werden gegen die betreffenden Staatsanwälte Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. Derlei „Kommissarsbesuche“ sind in Italiens Staatsanwaltschaften gefürchtet – weniger deshalb, weil sich am Ende Belastendes findet, als weil die Beamten in der Regel den normalen Betrieb der Ermittlungen monatelang aufhalten oder durcheinanderbringen.

Aber selbst Berlusconi-Freunde vermuten, daß der Schuß wieder einmal nach hinten losgehen könnte oder jedenfalls in die falsche Richtung abgefeuert wurde: Erstens bezieht sich – wahrscheinlich versehentlich – zumindest einer der zu untersuchenden Fälle auf den Versuch eines leitenden Staatsanwalts, einen Untergebenen gerade dann in Urlaub zu schicken, als dieser Ermittlungsbescheide losschicken wollte – und dabei ging es just um eine Ermittlung gegen Berlusconis Imperium. Und zweitens haben die „Rundumspäher“ Berlusconis mit Erschrecken festgestellt, daß sich das dickste Unheil derzeit nicht in Mailand zusammenbraut, sondern im Süden.

Dort walten zwei unbeugsame Strafermittler, die schon diverse Male gezeigt haben, daß sie auch dann noch effektiv arbeiten, wenn ihnen die Regierung haufenweise Knüppel zwischen die Beine wirft. In Palermo hat der Leiter des Antimafia-Pools, Giancarlo Casella, einige Verwicklungen hoher Manager aus Berlusconis Fininvest-Holding im Visier, die schon seinem ermordeten Vorgänger Paolo Borsellino aufgefallen waren. Und in Neapel arbeitet Generalstaatsanwalt Antonio Cordova, den zwei Vorgängerregierungen Berlusconis von einer hochkomplizierten Recherche über die Verbindungen von Mafia, Unternehmertum und Geheimlogen im kalabresischen Gioia Tauro wegschikaniert haben – und doch den Abschluß der Ermittlungen und die Anklageerhebung nicht blockieren konnten.

Cordova hat jüngst für die Verhaftung des einst mächtigsten Mannes von Neapel, Ex-Innenminister und DC-Fraktionschef Antonio Gava, gesorgt. Aus seinem Amt könnte, so jedenfalls die Sorge der Berlusconi-Späher, nun wirklich der vordem ausschließlich aus Mailand erwartete Ermittlungsbescheid gegen den Regierungschef losgeschickt werden. Es wäre für Berlusconi ein Desaster – zeigte es doch, daß es sich keineswegs um eine aus alter Feindschaft Mailänder Ermittler erwachsene „Inquisition“ handelt. Die „Rundumspäher“ werden voll ausgelastet sein.

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