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Teufelspakte

■ Hexen im deutschen Südwesten - Ausstellung im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe

Die Hexenforschung der letzten 20 Jahre vermutet im Gebiet des alten Deutschen Reichs rund 40.000 Todesopfer, davon 80 Prozent Frauen. Noch höher war die Zahl der „nur“ Beschuldigten, Verfolgten und Gefolterten. Das zeigt und belegt die Ausstellung „Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten“ im Badischen Landesmuseum Karlsruhe – das und noch viel mehr.

Die Hexenverfolgung, so Museumsdirektor Harald Siebenmorgen, sei mit ihrem Höhepunkt zwischen 1560 und 1630 und ihrem Ende im 18. Jahrhundert kein Phänomen des finsteren Mittelalters, sondern eines der Umbrüche der beginnenden Neuzeit. Vorsichtig räumt er mit feministischen Forschungsansätzen auf: „Daß die Hexenverfolgung eine gezielte kirchliche Kampagne gegen weise und heilkundige Frauen war, nimmt heute niemand mehr an.“ Und in seinem Einführungstext zum zweibändigen Katalog kritisiert der Tübinger Hexenforscher Sönke Lorenz Geschichtsinterpretationen „im Banne des aufgeklärten Entsetzens“: „Bei dieser von unverkennbarem Fortschrittsoptimismus getragenen Sichtweise, die den Historiker gleichsam als Agenten der praktischen Vernunft zeigt, blieben die Hintergründe der Prozesse, das soziale Umfeld der Opfer und ihrer Denunzianten nahezu völlig außer Betracht. (...) Statt dessen setzte sich der Eindruck ständig und überall lodernder Scheiterhaufen fest.“

Daß es im abergläubischen Mittelalter vor allem Frauen traf, die mit Lebensmitteln, Geburt und Kindern umgingen, lag möglicherweise daran, daß Seuchen, Tod und Hungersnot böser Magie zugerechnet wurden. Die Weiße Magie oblag ausschließlich der Kirche, der Schwarzen blieb die Verantwortung für jedweden Schaden. Magische Schutzzeichen, Kräuterbündel, aber auch Messer, Scheren und Besen sollten die Dämonen fernhalten, christliche Amulette hatten Hochkonjunktur – und es entspricht dem mittelalterlichen Denken, daß diese Schutzmittel vor Hexen auch gleichzeitig ihre Attribute waren.

Die Erklärungen für die Hexenverfolgungen sind mittlerweile differenzierter geworden. Je nach Region, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen entstand eine Gemengelage, in der in manchen Orten Hunderte Menschen umgebracht wurden, in anderen keinerlei Verfolgung stattfand. Neben Weltanschauung und Volksglaube spielten dabei eben auch böse Nachbarn, wirtschaftliche Interessen und Familienstreitigkeiten eine Rolle. Und Protestanten wie Katholiken profilierten sich gleichermaßen als Verfolger wie als Verweigerer des Hexenwahns.

In Deutschland begann die Verfolgung 1484/85 in Ravensburg. Treibende Kraft des sich von Ketzern und anderen Glaubensabweichlern auf die Hexen erweiternden Arbeitsfeldes der Inquisition war der Dominikaner Institoris, der das Standardwerk „Hexenhammer“ verfaßte. Der „elaborierte Hexenglaube“ des Abendlandes hatte fünf Komponenten: Teufelspakt, Geschlechtsverkehr mit dem Satan, Hexenflug, Hexentanz zum Hexensabbat, Schadenszauber. Systematisch ordneten die Gelehrten die Welt in Himmel, Hölle, Engel und Teufel, auf daß alles eine Erklärung fand. Unerklärliches konnte nur das Werk des Bösen sein, wobei der Mensch nicht mehr als ein dem Teufel ausgeliefertes Opfer, sondern als ein für den Pakt mitverantwortliches Wesen gesehen wurde. Dadurch wurde der Aberglaube Objekt wissenschaftlicher Theorien und eine strafwürdige Realität. Die Beweisführung war nur durch ein Geständnis möglich, deshalb wurde die Folter zwingendes Mittel der Wahrheitsfindung: „Die Folter war diesbezüglich dem naturwissenschaftlichen Experiment vergleichbar, durch deren Ergebnis die Theorie verifiziert werden konnte.“

Das Bild der häßlichen, grundsätzlich bösen Hexe mit langer, warziger Nase und schwarzer Katze ist ein Phantasiegebilde der romantischen Märchenwelt. Auch die Hexenmasken in alemannischen Fastnachtsumzügen tauchten als Modeerscheinung erst zu Beginn des Nationalsozialismus auf. Die Ausstellung zeigt das erst kürzlich wiederentdeckte, gesammelte Archivmaterial des „H-Sonderkommandos“, das 1935 zeitgleich mit der Abteilung „Ahnenerbe“ entstand. Heinrich Himmler hatte den Auftrag zur Hexenforschung erteilt, doch das Motiv dieser Spurensuche ist zwieschichtig. Zum einen sollte aus den ausgewerteten Dokumenten historisierend das Erbe germanischer weiser Frauen herausgelesen werden, zum anderen ließ sich das Material propagandistisch gegen die Kirchen einsetzen.

Hexenbilder waren auch immer Männerphantasien. Als alte Frauen und böse Mütter schüren sie Impotenzängste, als junge sind sie Verführerin und Circe. Albrecht Dürers „Reitende Hexe“ thront als Heroine auf Aphrodites Ziegenbock. Zeitgenosse Hans Baldung Grien zeichnete dagegen eine pralle, junge Hexe, die einem Drachen ins gewaltsam aufgehaltene Maul pinkelt. Die Femme fatale, von Alfred Kubin Anfang dieses Jahrhunderts gemalt, könnte die Männer durchaus in Esel verwandeln, während Otto Dix' großäugige Elfenhexe 1932 verschreckt unter ihrem Haarvorhang hervorblickt. Heide Platen

Bis 11. Dezember im Badischen Landesmuseum Karlsruhe.

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