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Hofberichte für Senator Scherf -betr.: "Oberstufe muß genauso sparen wie die Kleinen", taz vom 9.11.94

Betr.: „Oberstufe muß genauso sparen wie die Kleinen“, taz vom 9.11.

Ich möchte den Autor des oben genannten Artikels herzlich zu seiner Eigenernennung zum Hofberichterstatter des Bremer Senats beglückwünschen!

Nicht nur, daß er die Schülerdemonstration vom Dienstag, dem 8.11.94 dazu benutzt, Herrn Bildungssenator Scherf Raum für seine infamen Beschönigungen zu geben, er erwähnt gleichzeitig die Ziele der Demonstration von 3000 Schülern mit einem ganzen Satz!

Nicht zu vergessen, daß das Wort „Recherche“ anscheinend nicht zum Wortschatz des geehrten Autors gehört. Sonst hätte er folgendes wissen müssen:

1. Schon im nächsten Schuljahr soll die bis 1995/96 gültige „Mindestausstattung“ an Lehrerstunden unterschritten werden, das bedeutet drastische Einsparungen von Lehrerstunden auch an laufenden Sekundarstufe-II-Jahrgängen (gymnasiale Oberstufe), was z.B. die Heraufsetzung der Klassenverbände auf klar über 30 Schüler pro Kurs bedeuten könnte. Viel Lärm um wenig?

2. Auch die Zahlen von 10,2 Schülern pro Lehrer sind fehlerhaft, da Herr Scherf versehentlich vergessen hat zu erwähnen, daß auch Lehrer miteingerechnet werden, die nicht unterrichten (Schulaufsichtsbeamte, Lehrer an der Behörde usw.).

3. Daß Herr Scherf versucht, die ganze Bedeutung der Sparbeschlüsse zu verschleiern, ist nicht verwunderlich: So stehlen sich Behörde und Bildungspolitiker aus der Verantwortung und überlassen es den einzelnen Schulen, das von ihnen angerichtete Chaos zu organisieren und die Lehrernot zu verteilen. Dabei wird das neue Gesetz zur „Schulautonomie“ als Feigenblatt zur Bedeckung ihrer Unfähigkeit benutzt, Vorgaben zur Umsetzung der Sparbeschlüsse zu geben. Die schon jetzt vollkommen überlasteten Schulen sollen nun auch noch Aufgaben der Bildungsbehörde übernehmen.

Nach diesem Gesetz sollen Inhalt und Organisation von Bildung offensichtlich nach den Gesetzen des Marktes bestimmt werden und nicht nach bildungspolitischen Gesichtspunkten. Milka-Werbung an Schulwänden? Nicht mehr undenkbar!

4. Die anstehenden Einsparungen von 50 LehrerInnenstellen in der Oberstufe hätten nicht, wie Herr Scherf uns gerne glauben machen würde, zur Folge, daß „fächerübergreifendes und handlungsorientiertes Lernen“ mit „stabileren Lerngruppen und der Übernahme sozialer Verantwortung“ gefördert würde, sondern daß SchülerInnen aus sog. bildungsfernen Schichten die Hauptbenachteiligten sind, da ihre Förderung flachfallen würde.

Könnte man da nicht „Gleiche Chancen auf Bildung“ einfach durch „Zurück zum elitären Gymnasium“ ersetzen?

Da sollte man sich einmal fragen, ob das wirklich „viel Lärm um nichts“ ist!?

Im Auftrag der Schülervertretung am Schulzentrum an der Alwin-Lonke-Straße: Itka Ellebrecht

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