Sanssouci: Vorschlag
■ Marva Whitney und Lyn Collins: Soulpredigt im Tränenpalast
„Wir schrieen uns immer die Lungen raus“, sagte Vicki Anderson, erst vor kurzem mit Ehemann Bobby Byrd in Berlin, über sich und ein Dutzend anderer Sängerinnen, die in den letzten dreißig Jahren in James Browns Band waren — und heute nicht nur gut auf den Godfather zu sprechen sind.
Marva Whitney kam 1967 zu Brown. „Als wir zur Truppenbetreuung nach Vietnam flogen“, erinnert er sich nach Patriarchenmanier in einer Autobiographie, „konnte ich nur fünf Musiker und Marva Whitney mitnehmen. Marva war damals meine Freundin, eine tolle Frau. Ich schrieb ,It‘s My Thing‘ für sie. Ich glaube, sie war die stärkste aller meiner Freundinnen.“
Brown war von ihr tatsächlich so überzeugt, daß er innerhalb von nur acht Monaten drei LPs, „I Sing Soul“, „It's My Thing“ und „Live And Lowdown At The Apollo“, veröffentlichen ließ. Aber: Er zahlte kaum Tantiemen, und so verließ Anderson nach zahllosen Fernsehshows und tausend Konzerten in drei Jahren ihren Arbeitgeber Brown. Sie zog nach Los Angeles und arbeitete schließlich als Sekretärin.
Das einzige, was uns der egomane Brown in seiner Autobiographie über Lyn Collins verrät, ist in zwei spärlichen Sätzen zusammengefaßt: „Vicki verließ mich, Lyn Collins, eine tolle Sängerin, ersetzte sie. Ich nahm eine Menge Lieder mit ihr in den 70er Jahren auf.“ Dabei war Lyn die kommerziell erfolgreichste aller JB-Sängerinnen, wurde als „Female Preacher“ angekündigt. Gut drei Jahre war sie beim Godfather, der 16 Singles und zwei LPs produzierte. Doch statt Geld gab es nur schöne Worte.
Nicht eben ein Ehrenplatz in der Historiographie des Rock, was unter der Ägide von Brown bei soviel Mühe und Talent heraussprang. Aber: „Wir ärgern uns nicht mehr“, resümiert Lyn stellvertretend für die anderen, „wir haben uns beruhigt. Ich habe mir zuviel gefallen lassen, zum Teil aus Ignoranz, zum Teil aus Naivität. Der Haß ist vergessen.“ Die Jahre bis zur Gegenwart überbrückte sie als Backgroundsängerin.
1988 kamen ein paar JB-geschädigte Musiker unter der Leitung von Bobby Byrd nach Europa. Der Erfolg wurde zum Auslöser für einige Karrierewiederbelebungen, insbesondere für Maceo Parker. Mit von der Partie waren auch Marva Whitney und Lyn Collins, die nun im Alleingang erinnern wollen, daß James Brown zumindest Talente erkennen und entdecken konnte. Norbert Hess
Heute, 22 Uhr im Tränenpalast, Bahnhof Friedrichstraße, Mitte.
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