: Und dann hat er wieder alles verpatzt
Italiens Ministerpräsident Berlusconi will sich endlich dem Druck beugen und seine Firmen verkaufen – jetzt glaubt ihm keiner / „Unschuldsschwur“ aufs Haupt seiner Kinder ■ Aus Rom Werner Raith
Nun hat sich Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi endlich, nach monatelangem Druck, zu einem konkreten Schritt durchgerungen und „den Verkauf meiner Firmen“ angekündigt. Und er stimmt inzwischen auch einem Gipfel mit seinen Koalitionspartnern zu, um auszuloten, wie tragfähig das Bündnis ist. Schließlich hat er sogar zähneknirschend Neuverhandlungen zwecks Modifizierung des Haushaltsgesetzes in Sachen Rentenreform zugestimmt. Und nun ist es auch wieder nicht recht. Denn kaum jemand glaubt, daß dahinter bessere Einsicht des Regierungschefs waltet – eher Nachgeben an allen Fronten als allerallerletzte Rettung, nachdem ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Beihilfe zur Korruption eröffnet wurde.
Dabei hätte ihn gerade der Ermittlungsbescheid schon fast gerettet: Wiewohl die Italiener mehrheitlich der Meinung sind, ihr Ministerpräsident habe Dreck am Stecken, hat es doch der Großteil der Bürger als schwere Willkür angesehen, daß das Verfahren gerade in dem Moment bekanntgegeben wurde, als Berlusconi im Namen des ganzen Landes der UNO- Weltkonferenz zum Kampf gegen die organisierte Kriminalität vorsaß. Doch dann hat Berlusconi erneut alles verpatzt: Wie weiland Deutschlands Uwe Barschel mit seinem Ehrenwort griff er zum allerletzten Beteuerungsmittel und schwor „beim Haupt meiner fünf Kinder“, unschuldig zu sein. In den Augen auch vieler seiner politischen Freunde eine glatte Blasphemie.
Doch auch an seinen anderen Vorhaben mäkeln alle herum. Anlaß zum Zeifel an der Ernsthaftigkeit seiner Verkaufsabsicht ist die gewundene Erklärung, er wolle sich aus staatmännischen Gründen „opfern“, indem er sein Imperium abgebe – doch im Satz danach war dann nur noch vom „Fernsehen“ die Rede, das er „an die Börse bringen“ will. Was ist mit dem Rest seiner Fininvest-Holding – die ja zu mehr als der Hälfte aus Versicherungs- und finanzgesellschaften, Handelshäusern und Verlagen besteht? Was heißt, „an die Börse gehen“? Fiat wird auch an der Börse gehandelt, und doch herrscht die Familie Agnelli über ihre Firmen mit Hilfe vinkulierter Aktien, die nur mit ihrer Zustimmung weiterverkauft werden dürfen.
Auch die nun einberufene Koalitionsrunde kommt wohl nicht zustande – ausgerechnet die Ligen, die diese so laut gefordert hatten, kommen nun nicht: Sie wollen erst das Haushaltsgesetz mit verabschieden und danach über die Zukunft reden. Aber der Landeshaushalt wird erst diese Woche im Senat beraten. Doch Berlusconi muß bereits vorher zum Staatspräsidenten und berichten, wie er und seine Partner reagieren werden, wenn die Staatsanwaltschaft nach dem für Ende der Woche geplanten Verhör formell Anklage erheben sollte.
Auch die Gewerkschaften sind nun nicht mehr nur mit Neuverhandlungen zufrieden – sie fordern, daß die gesamte Rentenreform aus dem Haushaltsgesetz herausgenommen wird. Das aber wiederum kann Berlusconi nicht gestatten – es wäre tatsächlich mit völlig unkalkulierbaren Belastungen für den Haushalt 1995 verbunden.
Il manifesto brachte die Sache mit einer ganzseitigen Fotomontage auf den Punkt: ein Grabstein, dessen Inschrift lautet: „Regierung Berlusconi 1994–1994“.
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