■ Medienhauptstadt Berlin?: Hier fehlt eine „New York Times“
Rosa Fonseca, 23 Jahre, Studentin
Die deutschen Medien betreiben zuviel Nabelschau. Seit Berlin 1989 einige Tage lang international in den Schlagzeilen war, ist man hier überzeugt, Deutschland sei der Mittelpunkt der Erde. Alles, was außerhalb Europas liegt, wird lediglich durch Kriege und Katastrophen wahrgenommen. Dadurch wird das Bild von Europa als Hort der Zivilisation bestätigt; der Rest erscheint als Wildnis.
Brigitte Popp, 30 Jahre, leitet HIV-Projekt
Bevor Berlin zur „Medienhauptstadt“ erklärt wird, brauchen wir erst einmal ein alternatives Stadt- Radio. Es fehlt zur Zeit ein Sender, der näher an der Bevölkerung dran ist, der aus den Stadtteilen berichtet. Underground-Künstler, Bürgerinitiativen, soziale Projekte: Sie alle könnten ein gemeinsames, unabhängiges Radio gebrauchen, damit sie an die Öffentlichkeit gelangen.
Joe Holdbrook, 20 Jahre, Kellner
Deutschland hat keine wirklich internationale Zeitung. Die New York Times zum Beispiel ist ein richtiges Welt-Organ, die kann man überall lesen. Zeig mir ein deutsches Blatt, das diesen Standard erfüllt. Etwa die FAZ? Auch das Fernsehen ist zu sehr fixiert auf Deutschland. Ich schalte immer rüber auf CNN, weil ich das Gefühl habe, sonst etwas Wichtiges zu verpassen.
Karsten Wendt, 17 Jahre, Tierschützer
Wozu Fernsehstationen nach Berlin? Ich schalte den Kasten eh bloß ein, wenn es die „Sportschau“ gibt. Da ist es mir ziemlich egal, ob die aus Köln oder Berlin kommt. Zeitungen lese ich keine, außer meinem Tierfreund. In dem steht alles drin, was ich wissen muß. Die Zeitschrift wird hier gedruckt, also kann es um den Medienstandort Berlin doch wohl nicht so schlecht bestellt sein.
Astrid Northradmann, 21 Jahre, Sängerin
In den Medien wird Berlin ja derzeit als kulturelle Hauptstadt regelrecht inszeniert. Wer als Nicht- Berliner MTV schaut, muß glauben, hier gäbe es eine wahnsinnige Szene und die wildesten Parties. Dabei ist in anderen Städten weit mehr los. Schau dir die Musik- Szene in Hamburg an. Und was Fernsehen und Film anbelangt, hinkt Berlin hinter Köln noch weit hinterher.
Heintz, 48 Jahre, bibelfester Christ
Weltliche Zeitschriften lese ich nur äußerst ungern. Manchmal den Wetterbericht in der B.Z. Wenn man sich die heutigen Medien anschaut, könnte man glauben, wir erlebten das zweite Sodom und Gomorrha. Ich lese bibelerklärende Schriften und vergleiche dann mit der Bibel, ob die Informationen auch stimmen. Die werden in Houston/Texas gedruckt und nicht in Berlin.
Umfrage: Noäl Rademacher
Fotos: Erik-Jan Ouwerkerk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen