Ein Hotelleben wie im Roman

■ Wo Thomas Mann und Arthur Miller nächtigten: Literarisches aus Luxusetagen und Absteigen

„Man wählt ein Hotel weniger seiner Geschichte als des Komforts wegen“, sagte Ernst Jünger. Zumindest für Ernest Hemingway hatte dies nach seinen ersten Bucherfolgen Gültigkeit: „Wenn ich von einem späteren Leben im Himmel träume, dann spielt sich alles immer im Ritz ab. Ich kippe in der Bar, die nach der Rue Cabon liegt, ein paar Martinis. Dann kommt ein wunderbares Diner unter einem blühenden Kastanienbaum im sogenannten ,Petit Jardin‘. Nach ein paar Brandys gehe ich dann hinauf und sinke in eines dieser riesigen Ritzbetten...“ Nun konnte er getrost in himmlischen Gefilde schweben. Doch der Weg zur literarischen Größe war nicht immer mit Ritzbetten gepflastert. George Orwell, der 1928 nach Paris kam und in einem schäbigen Hotel in der Rue Pot de Fer übernachtete, erfuhr die Niederungen des Wanderlebens zwischen Kakerlaken und Wanzen: „Salope! Salope!“ rief die Wirtin aus dem Fenster. „Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, daß Sie die Wanzen nicht auf der Tapete zerdrücken sollen.“ Hier in Paris schreibt Orwell sein erstes Buch: „Erledigt in Paris und London“.

In welchen Herbergen die Größen der Weltliteratur wandelten und wie sich die Begegnung mit den Orten in der Literatur niederschlug, zeigt der literarische Führer „Hotels“. Ein Blick durchs Schlüsselloch, der ein Stück vergangener Hotelkultur – jenseits der Plastikkarten-Moderne – und viel Persönliches von den jeweiligen SchriftstellerInnen preisgibt. Kurze Kostproben aus Romanen und Aufzeichnungen bringen die SchriftstellerInnen vor Ort näher. Genaue Literatur und Quellenangabe sowie Adressen- und Preisangabe der Hotels erleichtern die literarische Spurensuche. Spuren, die vom Dornröschenschloß „Sababurg“ in Hofgeismar, wo die Gebrüder Grimm von Dornenhecken inspiriert wurden, bis zu Graham Greens Haiti-Aufenthalt im „Hotel Oloffson“ führen. Ein Lesevergnügen für Hotelpatrioten, Hotelmuffel und Lehnstuhlreisende. Edith Kresta

Lis Künzli (Hg.): „Hotels – Ein literarischer Führer“. Mathias Gatza Verlag, Berlin 1994, 190 Seiten, 49,80 DM.