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Durchs DröhnlandWenn Mitesser trocknen ...

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wenn zwei sich zusammentun, kann es schon passieren, daß sie nicht so recht wissen, was zu tun ist. Aber wenn sie sich alle Mühe geben, das herauszufinden, kann auch der Weg dahin ganz lustig sein. Haben sich wohl Freunde von den Berliner Kapellen Elektronauten und Scum gesagt und das Projekt Elektroscum begonnen. Auf der Bühne bekennt man sich zu den fehlenden gemeinsamen Stunden im Übungsraum und tastet sich langsam, leidlich orientiert an etwas, das man als Songstruktur bezeichnen könnte, vorwärts. Zwar finden sich auch der Fugazi-rockende Hardcore von Scum und die Exzentrik der Elektronauten, aber vor allem geht es wohl um das gemeinsame Suchen, was dann aufgrund der Unsicherheit logischerweise in einem Hier- und Dortgetupfe mündet, das man leicht als Psychedelia deuten könnte. Oder als Freejazz mit anderen Mitteln. Schwer zu beschreiben ist es allemal.

Morgen, 24 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte.

Irgendwo zwischen Speed und Thrash, Death und Doom liegen auch die fiesen, grauen Wohngebiete von Leipzig, Stadtteil Connewitz. Von dort kommend stiegen Think About Mutation nahezu aus dem Stand in die Spitze des deutschen Metalhandwerks auf, was wohl auch daran lag, daß alle Mitglieder schon vorher ausgiebig Erfahrung gesammelt haben. Und so nutzen sie die Jahre und die Abgeklärtheit des Langzeitmusikanten zur Erweiterung des hektisch fichtelnden Schemas mit Industrial-Sounds. Da übernimmt schon mal die Beatbox den treibenden Part der Gitarre, ganz abgesehen von den üblichen Maschinen- und Müll-Samples. Das bleibt dann allerdings schon die einzige Verbindung zu Depeche Mode, bei denen sie schon mal das Vorprogramm bestreiten durften. Im Gegensatz zu deren süßlicher Subversion packen Think About Mutation aus, was so los ist in Connewitz. Und das ist dreckig, laut und auch sonst nicht sehr nett. Da trocknen selbst dem „Brett“-gestählten Tekkno-Freak die Mitesser aus.

Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzl. Berg.

Zwei ältere Herrschaften finden sich auf einer Bank im Park, lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen und entdecken eine gemeinsame und bisher geheime musikalische Leidenschaft. So ungefähr, kann man sich vorstellen, sind die Mooseheart Faith Stellar Groove Band und ihr verträumt piepsender Folk entstanden. Und genau das war völlig unerwartet, wenn man die Vergangenheit des Duos kennt, das sich jetzt Band nennt. Todd Homer spielte ein gutes Jahrzehnt bei der L.A.-Punk-Legende Angry Samoans, und Larry Robinson verdiente seine Brötchen als Mietmusiker in einer Kapelle, die Motown-Hits in Diskotheken zum Tanz aufspielte. Ohne eine klassische Folk-Erziehung ist ihr Ansatz natürlich ein viel persönlicherer, schert sich einen Dreck um Songwritingvorschriften oder herkömmliche Instrumentierung. Also finden sich Tonerzeuger wie Synthesizer oder Banjos, die man sonst in gänzlich anderen Zusammenhängen sucht. Selbst dem fiepsigen Sound von Kinderinstrumenten sind die beiden grauen Panther des New Folk nicht abgeneigt.

Morgen, 22 Uhr, auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow.

Komische Ideen hatten die Dostoyevskys seit ihrer Gründung Ende 1991 schon immer. Das fing mit dem Namen an und dem Versuch, englischen Pathos- Rocks, wie ihn die Simple Minds zu böse schleimenden Höhen getrieben hatten, mit osteuropäisch volkstümelnden Geigen zu verquicken. Zuletzt coverten sie sogar „Am Fenster“, jenen uralten, mauerübergreifenden Hit von City. Auch wenn es mit einem selbstgeschriebenen englischen Text versehen ist, zieht's einem alles zusammen – positiv oder negativ, je nach eigenem Verhältnis zu jenem Lied. Außerdem hat der Sänger eine Stimme wie Freund Bono von U2, und das ist des Guten dann doch zuviel.

Am 11.12., 20.30 Uhr, mit The Darwins im Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.

Was mußten diese netten Langhaarigen an Mißverständnissen über sich ergehen lassen, sich gegen einen Faschismus- Vorwurf wehren, obwohl sie doch nur ganz normale Amis waren und es mit der Wahrhaftigkeit ihrer Aussagen halt historisch nicht ganz so genau nahmen. Aber als die Textanalytiker noch nicht einmal wußten, wie man p.c. richtig buchstabiert, da hatten Slayer längst Konzeptalben gemacht, die sich kritisch mit den alles beherrschenden visuellen Gewalttätigkeiten auseinandersetzten, einen Song über den KZ-Arzt Mengele verfaßt und waren zu den unangreifbaren Elder statesmen des Thrash-Metal mutiert. Und das blieben sie dann auch bis heute. Machen noch eine Platte und noch eine, Tom Araya singt noch immer über Alpträume und andere Horrorfilme, die sich die Band gegenseitig in vollgefurzten Hotelzimmern erzählt, und vor allem spielen die Gitarristen Kerry King und Jeff Hanneman immer noch ihre aberwitzigen Soli, die innerhalb des kollabierenden Thrash plötzlich eine wundervolle Ruhe schaffen, obwohl sie mindestens genauso krankhaft schnell sind. Aber von diesen beiden Gitarren, die sich irgendeinen Quatsch erzählen, dann zusammen plappern und plötzlich ein wenig friedlich zusammen summen, geht eine ungeheure Selbstzufriedenheit aus. Kunst um der Kunstfertigkeit willen at it's best, und ich kann Gitarrensoli sonst wirklich nicht ausstehen.

Am 13.12., 20 Uhr, Halle, An der Industriebahn 12-16, Friedrichshain.

Der Mann trägt Anzüge und kann trotzdem über seine „kleinen Stiefel“ singen, die er im Alter von acht Jahren durch den „knirschenden Schnee“ getragen hat, will dabei keine Kinderlieder machen, und es wird trotzdem nicht peinlich. Vielleicht deswegen liebt meine nun sechsjährige Tochter immer noch den Erstling von Die Antwort, die früher einmal unter die Stimme von Bernd Begemann einen knochentrocken zuckenden Sixties-Beat legte. Seit der Hamburger seine Platten solo bestreitet, ist zwar der Beat etwas zurückgedreht und eine gewisse Sentimentalität eingekehrt, aber auch seine Texte werden immer kindlicher, damit vielleicht auch wahrer, immer herzerweichender. Seine letzte Platte „Solange die Rasenmäher singen“ handelt chronologisch vom Erwachsenwerden und erinnert an Tage, die wir längst vergessen hatten: An die hoffnungslose Schulhofliebe, an den Moment, als wir der Schule Aufwiedersehn küßten, ans erste Verlassenwerden. Kurz, an eine Zeit, als all die kleinen, lächerlichen Probleme von damals so unüberwindlich schienen.

Am 15.12., 22 Uhr, Knaack und am 17.12. auf der Insel Thomas Winkler

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