: Der Kommentar: Lieber Robert Hetkämper,
nun hat es Ihnen Die Zeit ja letzte Woche schriftlich gegeben, daß „ein überheblicher, plump-belehrender, journalistisch unangemessener Ton“ ihre „Tagesthemen“-Kommentare beherrscht.
Was für ein Affront! Da wird Ihre Fliege wohl routiert haben. Zumal sich das Urteil auf einen Satz bezog, den Sie so gar nicht gesagt haben: „Lieber Herr Kohl, je eher Sie das sagen, um so besser.“ Dabei hatten Sie es in Wahrheit viel schöner formuliert: „Liebe Regierung Kohl, je ehrlicher Sie das aussprechen, desto besser!“ Schade, daß die sonst so seriöse Zeit mit derartigen Grobheiten die Kritik an Ihren Auftritten auf ein ziemlich diesseitiges Niveau heruntergezogen hat.
Dabei fällt doch schon lange auf, daß Sie, lieber NDR-Chefredakteur Hetkämper, mit den einfachen ZuschauerInnen in Ihren Kommentaren kaum noch etwas anfangen können – wenn Sie auch vorgeben, immer noch im Namen des Publikums zu sprechen.
Bereits im vergangenen Jahr konnten wir Zeuge werden, wie Sie einen „Tagesthemen“- Kommentar allein für Thomas Gottschalk formuliert haben. „Lieber Thomas Gottschalk!“, riefen Sie am Ende dem Night- Talker zu. Und der – nicht dumm – ließ Ihre Visage natürlich kurz darauf in seine Show schalten. Da lachten und alberten die beiden herum, daß der Gottschalk sich keine bessere Reklame für die damals arg bedrohte Late-Night-Show hätte wünschen können. Haben Sie, lieber Journalist Hetkämper, eigentlich später noch Angebote erhalten?
Sicher würde sich auch Margarethe Schreinemakers über eine Erwähnung in den „Tagesthemen“ freuen. Oder sagen Sie demnächst doch mal was über die „liebe taz-Medienredaktion“. Dann könnten wir vielleicht über die eine oder andere positive Erwähnung auf dieser Seite nachdenken. Aber, Entschuldigung, wir vergaßen, daß Sie sich mit so profanen Dingen nicht abgeben.
Kurze Zeit später hießen die Adressaten Ihres Kommentars ja denn schon „Lieber Außenminister Kinkel, liebe Bundesregierung insgesamt.“ Und im November letzten Jahres: „Lieber SPD- Parteitag.“ Zugegeben, lieber Robert Hetkämper, das sind wohl eher die Ansprechpartner auf Ihrem Level. Wenn auch hier durchaus noch Steigerungen denkbar sind: Wie wäre es etwa mit „liebe Nation“, „liebe UN-Vollversammlung“, „liebes Christkind“?
Lieber Gott, Herr Hetkämper, was glauben Sie eigentlich über die Wirkung Ihrer Kommentare? Können Sie sich vorstellen, daß uns armen Seelen vor der Mattscheibe Ihre gedrechselten Ansprachen an ausgewählte Personen und Institutionen der Zeitgeschichte nur noch als eitle Selbstgefälligkeit erscheinen, als inszenierte Scharmützel einer Elite, die sich hinter den Kulissen der Fernsehstudios feixend mit einem Gläschen Champagner zuprostet?
Vielleicht ahnen Sie ja, mein Lieber, daß Ihr Stil mittlerweile out ist. Denn als Sie am Nikolausabend Ihren Kommentar über das Treffen der KSZE mit dem Satz begannen: „Ein Gespenst geht um in Europa“, da wartete die Fernsehnation schon auf Ihr „Liebes Gespenst ...“ Doch was geschah? Sie haben es sich verkniffen. Danke, lieber Robert Hetkämper, weiter so! Ihr Achim Baum
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