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■ ÖkolumneGewehre zu Spaten Von Thomas Worm

„Draußen vom Walde, da komm ich her ...“ – oder doch nicht? Vielleicht weil es den Wald gar nicht mehr gibt, jedenfalls nicht im hohen Harz oder auf hessischen Mittelgebirgskuppen. Vielleicht weil es versäumt wurde, die kahlen Flächen rechtzeitig wieder aufzuforsten? Vielleicht weil Hunderttausende Uniformierte statt dessen noch immer ihre Zeit mit Sandkastenspielen vergeuden?

Die Nationen dieser Welt leisten sich zusammen 25 Millionen Soldaten, um ihre „Heimaterde“ zu schützen: die ölverschmierten Permafrostböden der sibirischen Taiga, die umgelegten Regenwälder von Malaysia, die strahlendenFoto: taz-Archiv

Uranerzgruben Nordamerikas. In gleichgültiger Habachtstellung lassen Offiziere und Rekruten es zu, daß zahllose Heimatländer Tag für Tag den Anspruch auf ihren Namen verlieren und zu unbewohnbaren Gebieten degradieren – verpestet, abgeholzt, durchseucht.

„Landesverteidigung“ heißt diese kasernierte Passivität voll militärischer Tarnfarbe im normalen Sprachgebrauch. Dabei sähe eine ernstgemeinte Verteidigung völlig anders aus: schwermetallhaltige Böden sanieren, Bäume gegen das Vordringen der Wüste pflanzen, Dschungelabfackler stoppen.

Würden die bestehenden Heere mit einem Schlag ökologisch umgepolt, ließe sich bargeldlos eine Green- Force von der Arbeitskraft dieser Bundesrepublik aufstellen. Man denke – die gesamte Nation deutscher Schaffer als planetarische Besenschwenker. Ökotopia, dein Reich komme! Doch Ernst beiseite. Fünf Milliarden wohlgefällige Arbeitsstunden entgehen den geplagten Biotopen Jahr für Jahr, gesetzt, sämtliche 25 Millionen Armisten spuckten nur eine Stunde täglich für ihre „Muttererde“ in die Hände.

Klingt nach Arbeitsdienst und Baubrigaden. Doch warum die Idee sogleich als autoritären Ladenhüter verwerfen? Die Forderung nach Rüstungskonversion erheben nicht allein Pazifisten: Eine sinnlos und zu teuer gewordene Kampfmaschinerie soll friedliche Aufgaben übernehmen. Jedoch ist die Schrumpfung der Heere auf Minimalgröße oder gar die Auflösung des Militärs auf absehbare Zeit nicht mehr als eine nette Vision, vor allem solange der nationalistische Wahn wie etwa in Bosnien zur Waffe greift.

Wenn schon überflüssige Streitkräfte in nächster Zukunft nicht abzuschaffen sind, so doch vielleicht ihr Schmarotzertum. Während der Wachstumsmoloch seine Zerstörungsspur über den Globus zieht, schlagen die meisten Soldaten ihre Zeit tot. Wie wäre es denn damit, die Killer von bedrohten Haien zu jagen oder drohende Angriffe von Ölteppichen zu melden? Armeen verfügen über ungenutzte Infrastrukturen, in etlichen Ländern die einzigen, die überhaupt funktionieren. Vor allem in Osteuropa und im Süden, wo Geld knapp ist, könnte eine Ressourcen erhaltende Umwidmung der Heere als nationales Kompensationsgeschäft taugen. Niemand bräuchte dadurch Arbeit verlieren, denn um die Bergung gesunkener Atom-U- Boote kümmert sich ohnehin keiner.

Ob nun in besser ausgerüsteten Armeen Spähpanzer als Analyselabors eingesetzt werden, um vergiftetes Territorium auszumachen, oder ob mit Säcken bewaffnete Einheiten die Länder durchstreifen auf der Suche nach Pflanzensamen zwecks Gen-Konservierung – dies wäre von Land zu Land unterschiedlich.

Damit sollen Sinnkrise und Legitimationsprobleme der Militärs nach Ende des kalten Krieges keineswegs beseitigt werden. Die undemokratische Disziplin, basierend auf Rangabzeichen, gehört abgeschafft. Noch aber ist der gesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit stehender Heere lange nicht aufgekündigt. Ein naturverbundener Defätismus jedoch würde dem blinden Gehorsam und Irrglauben einer rein militärischen Landesverteidigung den Boden entziehen. Da ginge es um eine schleichende Neudefinition dessen, was „Sicherung der Heimaterde“ im Kern bedeutet: Umweltschutz nämlich – am besten, bis kein Waffenträger mehr übrigbleibt. Süßliche Christbaumgeschichte? Nicht ganz. Dereinst wünschte sich die Umweltbewegung einfach nur die Wachstumswirtschaft fort; nun begnügt sie sich mit einem pragmatischeren Kurs: das global thinking innerhalb der – nicht abschaffbaren – Betriebe fördern durch Produktbilanzen, Umwelt-Controlling und ökologische Steuerreform. Wünschen allein reicht nicht – das weiß sogar der Weihnachtsmann.

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