■ Müllvermeider werden in der Stadt Ulm hart bestraft: Der doppelte Müllberger
Ulm (taz) – „Wenn weiterhin Müll vermieden und eine noch größere Menge der Müllverwertung zugeführt wird, wirkt sich dies ungünstig auf die Auslastung der Müllverbrennungsanlage und damit auf die Kostenkalkulation und letztlich auf die Gebühren aus.“
Diese offensichtlich irrsinnigen Worte des ehrwürdigen Landrates Dr. Wolfgang Schürle anläßlich einer Ortschaftsräte-Sitzung der Anrainer der Hausmülldeponie Litzholz bei Ulm zu deren Ausbau in eine Rückstandsdeponie für Schlacke beschreiben jedoch exakt den Kern des bösen Schildbürgerstreiches, den sich die Stadt Ulm gemeinsam mit dem Alb-Donau- Kreis leistete, als sie sich zur Jahreswende 1992/93 mit dem Bau einer MVA mit einer Jahreskapazität von 120.000 Tonnen durchsetzten. Grundlage für die Kapazität des „Müllheizkraftwerks“ war ein Gutachten der Firma Ingenieursozietät Abfall, Professor Tabasaran & Partner – der Volksmund spricht hier mittlerweile vom „Müllfänger von Ulm“ –, das 1987 für das Jahr 2000 ein Restmüllaufkommen von 118.000 Tonnen für Stadt und Kreis „vorhergesagt“ hatte.
Obschon das reale Müllaufkommen Ulms allein von 1989 (54.300 Tonnen) bis 1991 (30.200 Tonnen) um immerhin 45 Prozent sank, wurden alternative Konzepte, etwa die der örtlichen Initiative „Das bessere Müllkonzept e.V.“, nicht berücksichtigt. Im Gegenteil: Man fand es schick, sich über die Gegner lustig zu machen.
Nun ist die Baugrube nahe der Stadt bereits ausgehoben, da meldet sich mahnend Ulms OB Ivo Gönner (SPD) zu Wort: Der Alb- Donau-Kreis und die Stadt Ulm produzierten leider nur mehr 63.000 Tonnen Abfälle pro Jahr. Wenn aber die Anlage nicht ausgelastet werden könne, drohe „eine Kostenexplosion bei den Müllgebühren“. 1.000 Mark pro Jahr und Haushalt, malt der zerknirschte Stadtvater die düstere mögliche Zukunft aus, wenn, ja „wenn nicht Fremdmüll herbeigeholt“ würde.
Die Entwicklungen, die laut Auftraggeber und Betreiber angeblich „unvorhersehbar“ gewesen seien, waren von den örtlichen Verbrennungsgegnern bereits vor Jahren nachgewiesen worden. Schon im Sommer 1992 etwa wiesen sie darauf hin, daß der „derzeit in Ulm und im Alb-Donau-Kreis anfallende Müll von ca. 185.000 Tonnen pro Jahr auf ungefähr 65.000 Tonnen reduziert werden könne“. Was nunmehr geschehen ist.
Sicher ist hingegen, daß die Stadt sich maßgeblich selbst an der Reduktion des Müllaufkommens beteiligte, etwa mit der Trennung der Bioabfälle vom Restmüll oder der gesonderten Entsorgung des Verpackungsmülls. So sind für dieses Jahr weitere 10.000 Tonnen Einsparung prognostiziert. Bezeichnend ist nur, daß die Stadt diese Leistung nur widerwillig und auf Nachfrage bekanntgab.
Weder Stadt noch Kreis denken ans Umdenken, so scheint es, sondern nur noch ans Verheizen: Daß da noch immer ein Verfahren gegen die Anlage selbst anhängig ist, scheint nicht zu stören. Im Gegenteil: Auch eine Mehrheit des Ulmer Gemeinderates lehnte jüngst eine von der SPD und den Ulmer „Bunten“ beantragte Grundsatzdebatte zum Thema Ulmer Müll ab. Begründung: Dies sei nicht dringlich.
Durchaus dringlich hingegen scheint den meisten Gemeinderatsmitgliedern die neuerliche Erhöhung der Müllgebühren zur Jahreswende zu sein. Mit großer Mehrheit wurde dort Anfang Dezember die neue Abfallsatzung beschlossen. Hochinteressantes Detail: Wer am meisten Müll einspart, wird auch am härtesten dafür bestraft. Der von den umweltbewußten UlmerInnen hauptsächlich genutzte 35-Liter-Eimer, der kleinste im Angebot, steigt um 22 Prozent auf 434 Mark, die größeren nur um 14 Prozent. Philippe André
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