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Israel sucht den Kompromiß

Bei dem Streit um den Siedlungsbau will die israelische Regierung die Palästinenser und Siedler beschwichtigen und sich die Möglichkeit weiterer Bautätigkeit offenhalten  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die israelische Regierung hat gestern nach einer langen Debatte beschlossen, den Ausbau der umstrittenen jüdischen Siedlung Efrat bei Bethlehem in der besetzten Westbank zu stoppen. Während die Politiker noch debattierten, gingen unter ständigem Militärschutz die vorbereitenden Erdarbeiten für den Neubau von 500 Wohnungen zunächst unvermindert weiter.

In der Nacht von Sonntag auf Montag hatten die Siedler dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin ihren eigenen Kompromißvorschlag für eine einstweilige Lösung unterbreitet: die Siedler seien bereit, die Bauarbeiten an der umstrittenen Stelle zeitweilig einzustellen, verlangen jedoch, daß dort ein Militärlager entsteht, das den Ort bewacht und verhindert, daß palästinensische Bauern ihr Land bearbeiten. Gleichzeitig forderten die Siedler eine Genehmigung, die neue Siedlung auf einem anderen Hügel in der Nähe von Efrat bebauen zu dürfen.

Mit ihren Bemühungen um einen Kompromiß wollte die Regierung die palästinensischen Protestaktionen und die internationale Kritik am erneuten Siedlungsbau dämpfen. Gleichzeitig ging es darum, die Siedler zu beschwichtigen und der Fortsetzung der Siedlungstätigkeit insbesondere im Großraum Jerusalem auch durch einen entsprechenden Beschluß keine Grenzen zu setzen. Im Ministerpräsidium wurde gestern betont, daß Rabin eine Lösung suche, die verhindert, daß die Regierung erneut unter Druck gerät, wenn Siedlungen vergrößert oder neu gebaut werden.

Der Oberste Staatsanwalt und Rechtsberater der Regierung, Michael Ben-Yair, stellte im Rhamen der Debatte fest, daß vom rechtlichen Standpunkt her der Siedlungsbau bei Efrat unanfechtbar sei und von der gegenwärtigen Regierung gebilligt wurde. Die Regierung könnte jedoch „öffentliche Sicherheitsgründe“ geltend machen, um die Bauarbeiten einzustellen.

Palästinensische Landbesitzer aus dem nahe gelegenen Dorf El- Khadr bei Betlehem, die beim israelischen Obersten Gericht Einspruch gegen den Siedlungsbau eingelegt hatten, hatten am Sonntag ihre Gesuche wieder zurückgezogen, „weil die bisherige Erfahrung zeigt, daß hier auf dem Gerichtsweg noch nie Abhilfe geschaffen wurde, wenn es sich um die Enteignung arabischer Böden, die Zerstörung von arabischen Häusern oder den Bau von jüdischen Siedlungen handelt.“

Bei dem gegenwärtigen Streit um die Baustelle bei Efrat handelt es sich lediglich um eines von zahlreichen neuen Siedlungsbauprojekten, die in letzter Zeit an verschiedenen Stellen, zumeist im Umfeld bestehender Siedlungen und quasi als deren Erweiterung, realisiert werden. Eine Pressekonferenz, die Palästinenser gestern im Ambassador-Hotel in Ostjerusalem zum Thema Siedlungsbau einberufen hatten, wurde von den israelischen Behörden verboten. Ein großes Polizeiaufgebot blockierte den Zugang des Hotels.

Der israelische Außenminister Schimon Peres wird heute mit Vertretern der PLO in Kairo zusammenkommen, um über die zahlreichen Differenzen bei der weiteren Umsetzung des Osloer Abkommens zu beraten. Beide Seiten haben Listen der bisherigen Verletzungen des Abkommens vorbereitet. Unter diesen Umständen ist schwer vostellbar, daß es jetzt zu einer wirklichen Lösung der ernsten Konflikte kommen kann.

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