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"Der Klassenkampf ist real"

■ Der Sprecher des Parteirates der PDS, Uwe-Jens Heuer, ist gegen einen Unvereinbarkeitsbeschluß der PDS gegenüber stalinistischen Auffassungen

taz: Herr Heuer, für Lothar Bisky, Gregor Gysi und Hans Modrow sind stalinistische Auffassungen mit der Mitgliedschaft in der PDS unvereinbar.

Heuer: „Stalinismus“ ist ein Kampfbegriff, und eine Gegenüberstellung von Stalinisten und Reformern auf dem Parteitag wäre das Absurdeste, was passieren könnte. Es gibt keinen ernstzunehmenden Menschen in der PDS, der die Verbrechen des Stalin-Regimes verteidigt oder bagatellisiert.

Deshalb wollen Sie, so lautet ihr Alternativvorschlag, einen Unvereinbarkeitsbeschluß bei „Auffassungen, in denen die Verbrechen, die unter dem Regime Stalins begangen wurden, gerechtfertigt oder verherrlicht werden“. Wie können Sie denn das Regime Stalins unabhängig von dessen Verbrechen betrachten?

Ich bin im Prinzip gegen Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Ich bin dagegen, daß man auf diese Weise den Pluralismus aushebelt.

... Aber Sie schlagen die Formulierung doch selbst vor.

Das Ende des NS-Regimes und die Abrechnung mit Stalin auf dem XX. Parteitag der KPdSU waren für mich Schlüsselerlebnisse. Deshalb bin ich gegen jede Bagatellisierung des Stalin-Regimes und der Verbrechen, die damit zusammenhängen.

Zu sagen, Stalins Politik sei die prinzipientreue Fortführung der leninschen und die Stalin-Zeit sei nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht, ist eine Bagatellisierung des Stalin-Regimes.

Das ist eine Aussage, die Sarah Wagenknecht vor zwei Jahren gemacht hat. Sie ist schlimm und untragbar. Sarah Wagenknecht hat allerdings erklärt, daß sie das nicht mehr so sieht.

Gibt es noch stalinistische Auffassungen in der PDS?

Nach meiner Ansicht nicht. Allerdings besteht die Schwierigkeit, zu definieren, was Stalinismus ist. Den Hauptfeind in den eigenen Reihen auszumachen, ist auch eine stalinsche Tradition. Wenn man sagt, Stalinismus sei illiberal, dann muß ich offen sagen: Es gibt illiberale Menschen in der PDS und es gibt illiberales Auftreten in der PDS. Es wird gesagt, wer einer bestimmten Ansicht ist, mit dem könne man nicht mehr.

Sie ärgert Biskys und Gysis Rücktrittsdrohung für den Fall, daß Wagenknecht weiter im Vorstand bleibt?

Ich halte das nicht für gut.

Und was macht die PDS, wenn die beiden ihre Drohung wahrmachen?

Der Parteitag wird nie auf Bisky und Gysi verzichten.

Welche Bedeutung hat die Kommunistische Plattform?

Sie ist keine Gefahr, sie ist eine Strömung, und ich bin dafür, daß wir diese Strömung haben. Das Ganze ist eine Gespensterschlacht.

Lothar Bisky will auf dem Parteitag Abschied vom Klassenkampf nehmen. Eine historische Mission der Arbeiterklasse sehe er nicht.

Der Klassenkampf ist ein Faktum, das es real gibt. Eine Kategorie, die immer ein Schlüssel war, um viele Dinge zu verstehen, die wirft man nicht einfach über Bord.

Und was machen Sie mit einem Parteivorsitzenden, der es trotzdem tut?

Wir haben verschiedene Ansichten in diesem Punkt, aber das halte ich aus.

Herr Bisky findet, eine Partei mache sich überflüssig, wenn sie eine Regierungsbeteiligung auf ewig ausschließe.

Wenn wir über jeden Stock springen, den uns die Sozialdemokratie hinhält, wenn wir alles machen, was sie von uns will, wird sie erklären: „Ihr seid so liebe Menschen wie wir selbst. Ihr seid eigentlich überflüssig.“ Das sagt Bahr und das sagt Eppler. Deshalb sollten wir schon aus Gründen der Selbsterhaltung unsere eigene Position wahren. Deshalb brauchen wir auch Kommunisten in der Partei.

Sie lehnen die zehn Thesen des Parteivorstandes ab?

Meines Erachtens sind die zehn Thesen vom Tisch. Interview: Dieter Rulff

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