■ BSE-Seuche: Die Rinderbarone drängen auf den Markt: Fisch mit Senfkrüstchen
Eigentlich könnten wir uns freuen. Der Höhepunkt der BSE-Seuche in Großbritannien ist überschritten, die Zahl der neu am „Rinderwahn“ erkrankten Tiere geht deutlich zurück. Nachdem offiziell fast 150.000 Tiere getötet und verbrannt werden mußten – über das Ausmaß der illegal-heimlichen Beseitigung gibt es keine Zahlen –, zeigt das 1988 erlassene Fütterungsverbot für Tierkörpermehle endlich seine Wirkung in der Statistik. Die jüngeren Tiere scheinen jedenfalls durchwegs gesund zu sein.
Kaum ist diese erste Besserung sichtbar, drängen die Briten schon wieder mit Macht auf den europäischen Markt. Und die EU hat nach längerem Poker mit deutscher Zustimmung auch gleich die passende Verordnung beschlossen. Jungtiere sollen wieder für den Import zugelassen werden, wenn sie nach 1992 geboren wurden. Verbraucherschützer haben diese voreilige Exporterleichterung zu Recht kritisiert, und auch der Bundesrat hat sie am vergangenen Freitag abgebürstet. Übersehen wird dabei allerdings, daß die bisherige Regelung nicht viel besser ist. Denn auch gegenwärtig gibt es keinesfalls ein Importverbot. Entbeintes und von allen Anhaftungen gesäubertes Fleisch darf ebenso eingeführt werden wie Fleisch von sogenannten BSE-freien Beständen, die sechs Jahre ohne Erkrankung waren.
Die bisherige Regelung hat dazu geführt, daß falsche Zertifikate ausgestellt wurden, britische Bauern ihre erkrankten Rinder klammheimlich beseitigen ließen, um mit ihrem Hof weiter als BSE-frei zu gelten. Die Woche berichtete jetzt von der Kündigung der Aufsichtsbeamtin Marja-Liisa Hovi, die sich weigerte, die dubiosen Praktiken in den britischen Export- Schlachthöfen noch weiter mitzumachen.
Vor diesem skandalösen Hintergrund ist die jetzt geplante EU-Neuregelung fast schon eine Verbesserung. Allerdings: Auch bei jungen Tieren besteht ein Restrisiko, weil die vertikale Übertragung der Seuche vom Muttertier zum Jungen noch immer befürchtet werden muß. Das heißt: Auch Tiere, die erst in den letzten zwei Jahren auf die Welt kamen und nicht mit infektiösem Tiermehl gefüttert wurden, könnten die Krankheit trotzdem haben.
Mit strengem Verbraucherschutz und vorsorgender Gesundheitspolitik hat weder die alte noch die neue Regelung etwas zu tun. Nur eine Woche nachdem Minister Seehofer im Bundestag dicke Krokodilstränen rollen ließ und sich für das Versagen der Bundesbehörden im Bluter-Aids-Skandal entschuldigte, zeigt sich erneut, wie leicht wirtschaftliche Interessen den Schutz vor körperlicher Unversehrtheit in die Ecke stellen können.
Der BSE-Streit beleuchtet zudem, wie ignorant ein Minister mit dem Sachverstand seiner eigenen Zuarbeiter umgeht. Denn die Veterinäre in Seehofers Mitarbeiterstab sind durchaus der Meinung, daß die vertikale Übertragung der Seuche möglich, wenn auch statistisch nicht nachweisbar ist.
Den Verbrauchern bleibt in dieser Situation nur eines: Fisch mit Senfkrüstchen und überbackenes Gemüsegratin im Currybett. Doch leider nehmen die meisten Zeitgenossen die BSE-Seuche genauso wenig ernst wie die Brüsseler Eurokraten und der Bonner Gesundheitsminister. Manfred Kriener
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