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Druckerschwärze gegen Gen-Manipulation

■ Das „Gen-ethische Netzwerk“ informiert seit fast einem Jahrzehnt über Gen-Gefahren

„Manchmal habe ich den Eindruck, daß wir gegen Windmühlenflügen kämpfen“, resümiert Karin Rennenberg vom Gen-ethischen Netzwerk ihre Arbeit. KritikerInnen ist es nicht gelungen, auch nur eine gentechnologische Neuerung zu Fall zu bringen – allenfalls haben sich Entwicklungen verzögert. Die politischen Entscheidungen sind gefallen – für die Gentechnik. Ob Gentechnik in Lebensmitteln, Freisetzungen von genmanipulierten Pflanzen, Genversuche an Tieren oder Experimente mit menschlichen Genen: die Gesetzgebung läßt es zu, daß die Industrie dem vermeintlichen Fortschritt frönt.

Seit nahezu einem Jahrzehnt sammelt und vermittelt das Gen- ethische Netzwerk (GeN) Informationen zum Thema Gentechnik. BesucherInnen steht ein gut sortiertes Archiv zur Verfügung. Das Interesse ist groß: „Es gibt Tage, da steht das Telefon nicht still“, berichtet Karin Rennenberg. Vielen AnruferInnen geht es nicht um hochwissenschaftliche Fragen, sondern um Alltägliches wie genmanipulierte Lebensmittel. Ver- rückte Gene in Kartoffeln, Kakao, gentechnisch produzierte Süßstoffe, zu all diesen Themen hat das GeN Faltblätter veröffentlicht, die auch für „EinsteigerInnen“ verständlich sind. Auch wenn die Kampagnen gegen Gen food mit ihrer Forderung nach vollständiger Kennzeichnung nicht erfolgreich waren, so haben sie doch ein wichtiges Ziel erreicht: Die VerbraucherInnen sind gewarnt. Freiwillig greift kaum jemand zum Essen aus dem Genlabor.

„Gen food“ ist beim Gen-ethischen Netzwerk nur ein Thema unter vielen. Die Arbeitsschwerpunkte des GeN haben sich mit den Jahren gewandelt – entsprechend den veränderten Forschungsgebieten in der Gentechnik. Anfangs standen genmanipulierte Pflanzen, Mikroorganismen und Tiere im Zentrum. Inzwischen richtet sich der kritische Blick der GeN-MitarbeiterInnen mehr und mehr auf gentechnische Experimente am Menschen.

„Was an den Tieren ausprobiert wird, kommt irgendwann beim Menschen an“, konstatiert Karin Rennenberg. In Berlin finden bereits erste Versuche mit Gentherapie am Menschen statt. Schon vor zwei Jahren ist ein menschliches Gen vom europäischen Patentamt patentiert worden: das Gen, das für die Produktion des Schwangerschaftshormons Relaxin verantwortlich ist. Jährlich werden neue spektakuläre Gene „entdeckt“: 1993 war das Jahr des Homo-Gens, 1994 das des Brustkrebs-Gens. Aus diesen Erfindungen spricht der Wunsch, mißliebige Verhaltensweisen oder tödliche Krankheiten einfach aus dem Erbgut löschen zu können. Auch wenn die Forschungsergebnisse selbst in der Fachwelt wenig überzeugen, haben sie drastische Auswirkungen. Ein neues Menschenbild sei entstanden, konstatiert Karin Rennenberg: Das, was den Menschen ausmache, sei die jeweilige Kombination der Gene.

Denen, die einen tieferen Einblick in die Gentechnologie wagen wollen, sei der Gen-ethische Informationsdienst (GID) empfohlen, der vom Gen-ethischen Netzwerk herausgegeben wird. Alle sechs Wochen berichtet die Zeitschrift über neueste Entwicklungen aus der Welt der Gentechnologie. Gerade ist das hundertste Heft erschienen. In der Rubrik „100 mal GID“ werden erschreckende bis kuriose Meldungen aus dem letzten Jahrzehnt in Erinnerung gerufen: das erste Schaf als Bioreaktor beim Pharmakonzern Bayer, die europaweit patentierte „Krebs- Maus“ und viele andere. Highlight: der selbstleuchtende Tannenbaum aus dem Jahre 1991, dem ein Fluoreszenzgen eingesetzt wurde. Doris Maassen

Gen-ethisches Netzwerk e.V., Schönweider Straße 3, 12055 Berlin, 685 70 73 (12-17 Uhr)

Die hundertste Ausgabe des GID wird heute mit einem Pressefest um 20 Uhr im Haus der Demokratie, Friedrichstraße 165 gefeiert.

Im Rahmen der Ausstellung „When Tekkno turns to sound of poetry“ (4.2.-12.3.) in den Kunst-Werken, Auguststraße 69, finden mehrere Veranstaltungen von GeN und GID zum Thema Gentechnik statt (Termine: siehe Tageskalender).

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