piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Vergeßt Jeff Buckley: Come sind heute abend im Huxley's Jr.

Foto: promo

Vor zwei Jahren wurde die Bostoner Band Come ziemlich groß abgefeiert: Ihr Debut „Eleven, Eleven“ geriet in den Sog der allseits herrschenden Rockeuphorie, und das Label, auf dem das Album veröffentlicht wurde, paßte auch bestens ins Bild: SubPop. So fungierten Come für die einen als eine klasse amerikanische Band mehr, besonders in England, wo man sich auf alles stürzte, was aus den Staaten kam; für andere waren sie endlich eine Band, die sich mit „neuer“, „klarer“ Rockmusik vom Grungegebolze abhob. Beides wird Come nicht ganz gerecht.

„Just Pretty Rock“, das fiel dem Leadgitarristen Chris Brokaw in einem Interview lakonisch dazu ein, was er dann eher unlustig durch zwei Begriffe wie „Angst“ und „Tiefe“ ergänzte. Mit dieser Aussage traf er den Sound von Come jedoch ganz gut: Da ist das helle, jubilierende Gitarrenspiel Brokaws, treibend, geradezu losgelassen – der Mann war schließlich in seiner Zeit vor Come geschurigelter Drummer bei der Slow-Motion-Core- Combo Codeine, wo er nicht konnte, wie er wollte. Dazu kommt die Intensität und Gebrochenheit der Sängerin Thalia Zedeck, ex-Frontfrau der Lärmband Live Skull und der Postpunker Dangerous Birds, deren Stimme in manchen Songs einem Ritt auf einem paranoiden Gefühlsparcours gleicht: Mal ängstlich und bedroht, dann wieder kraftvoll und bedrohlich taucht Zedeck durch die Come-Songs und reichert sie mit ihrem Blues an. Feels like heavy Antagonismus, ist aber nicht so: Stimme und Gitarre harmonieren bestens, ergänzen sich in ihrer Unterschiedlichkeit und bestimmen gemeinsam die einzelnen Phasen der Songs. So sind auch auf dem zweiten Album „Don't ask, don't tell“ wechselnde Gefühle bestimmend, wobei die Grundstimmung Melancholie ist – vielleicht das einzige Manko der Musik, da eine Überdosis davon nicht bekommt. Leider haben Low-Fi-Recording und Women in Rock (zu denen man Thalia Zedeck wohl ihrer Androgynität und vordergründigen Unscheinbarkeit wegen nicht zählen möchte) den Renner der letzten Saison etwas in den Hintergrund gestellt, weswegen Come und ihr neues Album durch fast alle Rezeptionsraster gefallen sind. Das ist nicht fein, und so sollte man Jeff Buckley heute getrost vergessen und Versäumtes nachholen. Gerrit Bartels

Heute, 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Neukölln

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen