: Eine denkwürdige Mehrheit stürzt Senator Fücks
■ CDU, FDP und SPD-Dissidenten beenden gemeinsam mit DVU und der „National-Konservativen Gruppe“ vorläufig die Bremer „Piepmatz-Affäre“
Bremen (taz) – In der Bürgerschaft hatte gestern ein Mißtrauensvotum gegen den grünen Bremer Umweltsenator Erfolg, und das mit einer denkwürdigen Mehrheit: CDU, FDP, fünf Dissidenten aus der SPD und die sechs Rechtsextremen von der DVU und der „National-Konservativen Gruppe“ (eine DVU-Abspaltung) sorgten in namentlicher Abstimmung für den Abgang von Fücks. Direkt nach dem Mißtrauensvotum erklärte der seinen Austritt aus dem Senat: „Es ist keine Schande, von dieser Mehrheit abgewählt worden zu sein“, sagte Fücks mit Blick auf das Abstimmungsverhalten der Rechtsextremen.
Das verwaiste Umweltressort übernimmt nun die grüne Kultursenatorin Helga Trüpel kommissarisch – allerdings nicht ganz bis zu den vorgezogenen Bürgerschaftswahlen am 14. Mai, denn im Mai erwartet Helga Trüpel Nachwuchs. Für die Zeit des Trüpelschen Mutterschutzes werden beide grünen Ressorts von SPD- Senatoren verwaltet.
Tränen und Enttäuschung – das war die Stimmungslage in der grünen Fraktion nach der Abstimmung. Bis zuletzt hatten die grünen RednerInnen, die Fraktionsspitze der SPD und der SPD-Bürgermeister Klaus Wedemeier um die Mehrheit in der Bürgerschaft gekämpft, die fünf potentiellen SPD-AbweichlerInnen im Visier. Genützt hat es nichts. Schon bei vorangegangenen Abstimmungen hatte sich gezeigt, daß Fücks eine Reizfigur gerade beim konservativen Traditionsflügel der SPD ist. Die fünf hatten auch nichts zu verlieren. Allesamt wurden von ihren Ortsvereinen entweder nicht mehr aufgestellt, oder sie hatten erklärt, ohnehin nicht mehr kandidieren zu wollen. „Mich trifft das menschlich“, kommentierte Klaus Wedemeier das Verhalten dieser GenossInnen.
Die „Piepmatz-Affäre“ hatte schon vor zwei Wochen zum Bruch der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP geführt: Fücks' Stellvertreter hatte 1993 mitten im heftigen grün-liberalen Streit um die Ausweisung von Gewerbeflächen sieben Flächen bei der EU als Vogelschutzgebiete angemeldet, darunter einen Teil der besonders heiß umkämpften Hemelinger Marsch. Daß das Umweltressort mit der Anmeldung den Senat umgangen hatte, hatte die FDP als Verfassungsbruch gewertet und angekündigt, sie werde beim Mißtrauensvotum der CDU mit der Opposition stimmen. Daraufhin hatten sich alle Fraktionen auf eine Selbstauflösung des Landesparlaments und vorgezogene Neuwahlen verständigt. Jochen Grabler
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